Die Milchmädchen-Million

Ein bezahlbares Semesterticket auf Zeit?




Vergänglicher Komfort: Noch sind es nur vier Kaffee weniger für sorgenfreies Busfahren.
Foto: Steffen Elsner

Nach vier Verhandlungsrunden über den Preis des Semestertickets für die Beförderung durch die Jenaer Nahverkehrsbetriebe herrscht nun Einigkeit. Um die Jenaer Bus- und Straßenbahnlinien zu benutzen, zahlen die Studenten fortan 58,50 Euro pro Semester. Die vereinbarte Erhöhung von vier Euro gilt allerdings nur für ein Jahr. Dieser temporären Lösung ging eine enorme Preiserwartung der Verkehrsbetriebe voraus.Angefangen hat der langwierige Vereinbarungsprozess damit, dass die Jenah GmbH eine „Preisanpassung“ des Semestertickets um fast zwanzig Euro forderte. Bei den Neuverhandlungen seit Januar 2012 zwischen Jenah, dem Studentenwerk, der Stadt, der Universität und den Studentenvertretern kam die angedachte Preiserhöhung von 54,50 Euro auf 73,90 Euro überraschend und würde für die Verkehrsbetriebe zusätzliche Einnahmen von einer Million Euro in dem Jahr bedeuten. Mike Niederstraßer, der sich in der Unterredung als Referent für Sozialpolitik für den Stura engagiert, erachtet das als „eine Forderung, die in ihrer Dreistigkeit bisher ohne Beispiel ist.“ Der Anstieg ist beträchtlich, und fraglich ist zugleich, ob mit dem weiteren Geld etwas für Studenten getan wird.

Mit Wenn und Aber

Die Rechtfertigung zieht die Jenah GmbH aus einer angeblich gestiegenen Nutzungsquote der Jenaer Busse und Straßenbahnen. Doch diese ist weder belegt, noch schlüssig. Parallel zu der Schwerbehindertenzählung, die alle zwei Jahre stattfindet, wurden auch die mitfahrenden Studenten erfasst und so ein Anteil von 40 Prozent ermittelt. Daraufhin wurde eine Erhöhung des Preises beansprucht, da die bisherigen Kalkulationen einen Anteil von 30 Prozent beinhalten.
Laut Mike Niederstraßer hat diese Herangehensweise einige Mängel. Er weist darauf hin, dass die bisherige Verwendungsquote von einem Drittel lediglich eine Annahme darstellt und auf keiner anwendbaren Grundlage fußt. Weiterhin könne es bei der Nutzungsbestimmung zur Mehrfachzählung ein und desselben Studenten kommen. Die Statistik bleibt dafür blind und führt so zu einer höheren Quote. Hinzu kommt, dass der Zeitraum für die Erhebung in der Vorlesungszeit lag und damit eine unverhältnismäßige Erfassung evoziert. Es ist nur logisch, dass während der Semesterferien weniger Studenten in den Beförderungsmitteln der Nahverkehrsbetriebe zu finden sind als zu den Stoßzeiten im Semester. Bei der Neubestimmung der Nutzungsquote blieb unklar, wie die erfassten Studenten ins Verhältnis zur Gesamtheit der Studenten gebracht wurden. Durch diese Art der Zählung kann lediglich eine Relation zu den anderen Fahrgästen erstellt werden, jedoch nicht ein Anteil des Gebrauchs unter den Studenten ermittelt werden. Diese angeblich höhere Verwendung, sollte sie wirklich vorliegen, bedarf also noch einer schlüssigen Darlegung. Dabei ist grundsätzlich fragwürdig, was die Nutzungsquote widerspiegelt. Da man das Ticket sowieso besitzt, wird es auch häufiger genutzt. Schließlich ist für die Leistung bereits bezahlt und es liegt nahe, es so oft wie möglich zu verwenden.
Für die Legitimation des Preisanstiegs wurde das Semesterticket mit dem der Universität Erfurt verglichen. Dort zahlen Studenten 72,20 Euro für den öffentlichen Personennahverkehr; das wird in ähnlicher Dimension auch von den Jenaer Betrieben gewünscht. Zusätzlich führt der Verkehrsbetrieb Jenah die Kostenentwicklung durch erhöhte Personalkosten, sowie Diesel- und Strompreise an. Eine Tarifanpassung an derartige Ausgaben sehen die Studentenräte von FH und Uni als gerechtfertigt an. Sie ist im bisherigen Vertrag bereits enthalten. Im Laufe der Gespräche wurde so gegen eine drastische Tariferhöhung argumentiert.

Kurzes Glück?

Die Einigung auf 58,50 Euro sehen alle Parteien positiv. Das Studentenwerk, die Universität und der Studierendenbeirat Jenas wollen ein bezahlbares Studententicket, das in ihren Augen zur Attraktivität Jenas als Studienort beiträgt und hilft, die Wohnraumproblematik zu entspannen. Die Studentenräte sind erfreut über den Erhalt des Semestertickets als Solidarmodell und erinnern an die infrastrukturelle Entlastung des Stadtverkehres durch die öffentlichen Verkehrsmittel. Und auch Udo Beran, Geschäftsführer der Jenaer Nahverkehrsgesellschaft, bemerkt: „Wir sind froh, dass wir uns schrittweise annähern konnten und nun ein Ergebnis vorliegt.“
Offen ist, wie es nach einem Jahr mit der Finanzierung weitergehen soll. Einleuchtend für die Preisorientierung erscheint die Entwicklung der Energie- und Personalkosten und nicht die Umlastung von einer Million Euro nur auf Grundlage nicht aussagekräftiger Nutzungsquoten und dem Vergleich mit anderen Universitätsstandorten.
Sollte es zu einer unangemessenen Kostenanhebung für das Ticket kommen, kann eine Urabstimmung folgen. Die Studenten können darin entscheiden, ob es überhaupt noch ein Semesterticket geben soll. Studenten aus weniger zentralen Stadtteilen sollten dann überlegen, in die umliegenden Städte, die mit der deutschen Bahn erreichbar sind, zu ziehen. Zur Anreise hätte man schließlich noch das Thüringenticket.

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