Jena, ick liebe Dir

Teil 15: Der Kunsthof

Von Kerstin Pasemann



Foto: André Helbig

„Ick dir doch ooch.“ Bis es soweit ist, dass eine Stadt einem die Liebeserklärung erwidert, muss sich wohl eine lange Beziehung entwickeln, in der man durch dicke und dünne Gassen bei Tag sowie bei Nacht zieht. Die Risse der Fassaden spiegeln sich in den Falten des eigenen Gesichtes wider und in Verflechtung mit anderen Menschen verwurzelt man sich allmählich im Moosgummi der Stätten und Plätze. Ein individuelles Mosaik der Vertrautheiten entsteht. Eines dieser Steinchen im von mir zusammengepfriemelten Bild ist der Kunsthof in der Ballhausgasse, der regionalen und jungen Künstlern eine Plattform bieten möchte.

In der ehemaligen Holzwerkstatt machten massive Tischlereimaschinen unter ehrenamtlicher Emsigkeit für die gegenwärtigen Kunstwerke Platz. Zudem wird das Ausstellungsprogramm um Konzerte, Lesungen und Symposien erweitert, die die Interessen der aktiven Mitglieder wiedergeben. Die Mischkultur gesellschaftlicher Bereiche hofierend finden sich unter dem Dach des Kunsthofs neben der Galerie Arbeitsstätten des Handwerks, Ateliers und Proberäume.
Noch schleicht etwas Kälte an den zeitgenössischen Gemälden im Kunsthof vorbei und verharrt ein wenig im Galerieraum. Schließlich dauert es eine Weile, bis der Kohleofen die Wärme durch alle Heizkörper hinaus gedrückt hat. Die Stühle sind noch leer, doch das Licht ist bereits auf heimeliges Höhlenfeuer gedimmt. Die Stimmung ist schon da, ich setzte mich zu ihr und wir warten zusammen auf die anderen Gäste. Nicht lange und der Ausstellungsraum füllt sich zur regelmäßig stattfindenden Lesung. Es gibt Kekse wie bei Mutti und Texte von regionalen Literaten, Bilder der aktuellen Ausstellung und sogar ein Video. Viele hören aufmerksam zu und einige scheinen selig ihren Sonntagabendwein mit der Literatur zu schlürfen: Es ist gemütlich.
Ein wenig chaotisch wird es, als das Video abgespielt werden soll, denn die Technik versagt. Gewurschtel am Kabel und eine Salve von Neustarts soll den Dolmetscherproblemen der verschiedenen Geräte entgegentreten. Während der Unterbrechung denke ich daran, dass hier vieles noch frisch und unverbraucht ist. Vielleicht liegt es an seinem noch zarten Alter, denn der Kunsthof wurde erst vor ungefähr zweieinhalb Jahren mit einer Menge Engagement und Willen zum Ideal gegründet. Es gibt nichts Alteingesessenes, noch keine routinierten Handgriffe, keine standardmäßigen Ablaufpläne. Das Ad-hoc-Eventmanagement mündet am heutigen Abend in einem kleinen Zerwürfnis mit dem technischen Inventar. Aber diese kleinen Makel und Pausen, das nicht perfekt Durchgeplante strahlen etwas Familiäres aus. Wie die Versuche alles zu flicken und die Überbrückungsmoderation ihren Charme versprühen, so lässt die Steckdose, an der der Beamer hängt, noch ein paar Funken springen. Glaube ich zumindest.

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