Aufgewühlt

Razzia bei Jenas Stadtjugendpfarrer

Von Johanne Bischoff




Der blaue Lauti der JG wurde beschlagnahmt und nach Dresden transportiert
Foto: Haskala

„Es begann mit einem Anruf früh um sechs von meinem Vater aus seinem Wanderurlaub“, erinnert sich Katharina König. „Er hat mir mitgeteilt, dass die sächsische Polizei bei ihm eine Hausdurchsuchung durchführen wird und er hat mich gebeten, als Zeugin für ihn daran teilzunehmen.“ Sie spricht vom Morgen des 10. August 2011, dem Tag an dem die Wohnung ihres Vaters, dem Stadtjugendpfarrer Lothar König, von der sächsischen Polizei durchsucht wurde. Die Vorwürfe seien beim Eintreffen der Polizei noch nicht ganz klar gewesen. Am Mittag stellte sich heraus, dass ihrem Vater aufwieglerischer Landfriedensbruch vorgeworfen wird. Lothar König soll bei den Blockaden des Dresdener Naziaufmarsches im Februar 2011 zu Gewalt aufgerufen haben.
Als die Polizei die Wohnung verlässt, nimmt sie einen Computer, ein Mobiltelefon und unzählige Akten und Datenträger mit. Außerdem wird der Lautsprecherwagen der Jungen Gemeinde (JG) nach Dresden überführt und eine Sankt-Pauli-Fahne beschlagnahmt. Insgesamt haben 34 Polizisten an der Durchsuchung teilgenommen. Katharina König erzählt, dass sie erst daran gehindert wurde an der Durchsuchung teilzunehmen. Auf Nachfrage habe der Einsatzleiter ihr mitgeteilt, dass ein unabhängiger Zeuge dabei sei. Laut König habe sich hinterher herausgestellt, dass er Referent der sächsischen Staatsanwaltschaft sei. „Inwieweit das unabhängig sein soll, kann ich nicht genau sagen“, wirft sie ein und lacht.
Ende August hat die sächsische SPDLandtagsabgeordnete Sabine Friedel eine kleine Anfrage gestellt, weil unklar war, wann die Thüringer Behörden auf welchem Informationsstand waren. In der Antwort erklärt das sächsische Innenministerium, dass die Polizeidirektion Jena in einem Arbeitstreffen Anfang August – also Tage vor der Razzia – über den Stand der Ermittlungen gegen Pfarrer König informiert worden sei. Welche Ermittlungsmaßnahmen folgen würden, sei aber nicht besprochen worden. Am Tag der Durchsuchung habe man 45 Minuten vor Einsatzbeginn die Jenaer Polizeidirektion über eine Hausdurchsuchung informiert. Dabei wurde nicht kommuniziert, wessen Wohnung ins Visier genommen werde, so das Innenministerium Sachsen.
Dem widerspricht Steffi Kopp, Pressesprecherin der Polizeidirektion Jena. Sie erklärt, dass die hiesigen Behörden erst mit Beginn der Aktion über diese informiert worden seien: „Das ist nicht unbedingt üblich. Die Zuständigkeiten stimmen aber, denn der Tatort befand sich ja in Dresden.“
Neben der Fragwürdigkeit der Informationspolitik der sächsischen Behörden steht vor allem ein Vorwurf im Zentrum: die Durchsuchung von Königs Dienstzimmer. Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland Ilse Junkermann kritisierte einen Tag nach der Durchsuchung in einer Pressemittelung das Vorgehen der sächsischen Behörden: „Die Durchsuchung des Dienstzimmers von Stadtjugendpfarrer König und die Beschlagnahmung von Datenträgern, die dienstliche und damit auch seelsorgerische Belange betreffen können, ist skandalös.“ Wie Anwälte und Ärzte unterliegen auch Pfarrer in ihrer Tätigkeit einer Schweigepflicht. „Es ist zentral für die Arbeit unserer Pfarrer, dass sich ihnen die Gläubigen und auch andere Menschen anvertrauen können, ohne die staatliche Kenntnisnahme befürchten zu müssen.“
Für Lothar König sind die nächsten Wochen entscheidend. „Eines der Verfahren – das wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung – ist im September eingestellt worden, aber nicht aus Mangel an Beweisen, sondern weil sich die Behörden wohl eine höhere Strafe im Verfahren wegen aufwieglerischem Landfriedensbruch erhoffen“, vermutet Katharina König. Das bedeutet, dass das Erstere immer wieder aufgenommen werden kann. „Die Akten werden gerade von unseren Anwälten gesichtet. Außerdem sammeln sie Beweise, die belegen, dass mein Vater keinen aufwieglerischen Landfriedensbruch begangen hat. Mittlerweile sind da auch einige Beweise eingetroffen, die nach unserer Vermutung alle Vorwürfe entkräften.“

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