Im Hintergrund verschwinden

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Als Komparsin beim Filmdreh von Juli Zehs „Schilf“

Von Anna Zimmermann




Physiker spielen ist gar nicht so einfach. Die Darsteller hatten große Probleme sich die komplizierten Formeln zu merken.

Foto: flickr.com/erwist

Papierlampions in zarten Pastelltönen flattern im Wind über dem Botanischen Garten, Wiesenblumen neigen ihre Köpfe auf die weißen Tischdecken und kleine Büsche umrahmen den mit weißen Kieseln bestreuten Platz. Auch wenn erst wenige der Pflanzen in den Rabatten blühen, wirkt alles sommerlich leicht. Eine Klischeehochzeit, denkt man sich, die Gäste lassen die Gläser klirren und schwatzen. Als das Brautpaar die Treppen empor schreitet, Arm in Arm, fliegen Blütenblätter durch das Bild – Wiesenblumen natürlich, alles muss zusammenpassen und leicht und jugendlich wirken – Reis verfängt sich in den Haaren des Bräutigams, die Braut strahlt. Sie lacht, wiegt sich in den Armen ihres Mannes, lacht und lacht, Reiskörner fliegen. Obwohl sich das Bild bewegt, ist es wie eingefroren, Bewegungen und Gesten wiederholen sich. Ich stehe unter den Gästen und meine Mundwinkel schmerzen schon. Immer wieder stoßen wir auf das Wohl des Paares an und ich muss aufpassen, dass ich nicht vergesse, meine Luftschlange aufzublasen. Ich friere, denn Sommer vermitteln nur die Bilder. In Wahrheit ist es kalt. „Danke! Das war sehr schön! Aber noch ein bisschen ausgelassener, bitte!“, ruft in diesem Augenblick die Regisseurin. Noch einmal von vorn also, noch einmal und noch einmal, aber erst, wenn die Sonne wieder hinter den Wolken hervorkommt.

Der Schauspieler hinter mir, ein echter, kein Komparse, setzt sich auf eine Bank und zündet sich eine Zigarette an. „Hast du ,Die fetten Jahre sind vorbei‘ gesehen?“, raunt mir mein Nachbar zu. „Da hat der mitgespielt. Einer von den beiden Hauptdarstellern, aber nicht Daniel Brühl.“ Nicht schlecht, denke ich, und die gesamte Atmosphäre wird noch beeindruckender und gewinnt an Ernsthaftigkeit. Hatte ich zuvor noch belustigt die Traube von Menschen mit bunten Klettbändern, Kabeltrommeln, umgehängten Schminkköfferchen und über- und nebeneinander geklippten Bauchtaschen betrachtet, wird mir erst jetzt so richtig klar, dass am Ende hieraus ein Film werden soll. Ein richtiger, keine Schülerproduktion.

„Schilf“

Ob er im Fernsehen oder im Kino erscheinen soll, habe ich leider vergessen zu fragen. Die Aufregung darüber, sich vor einer Kamera möglichst natürlich bewegen zu müssen, war schlicht zu groß gewesen. Gezählt hatte für mich eigentlich nur die Buchvorlage zum Film: „Schilf“ von Juli Zeh. In meinem Kopf versuche ich nun, die gerade gedrehte Szene in einen Kontext zu setzen: Sebastian heiratet seine Freundin Maike, ein Rückblick also. Deswegen auch die Handkameras, das Gedrehte soll wie ein Amateurvideo aussehen. Der Schauspieler, der gerade noch hinter mir stand und nun in meinen Augen dreifach an Größe gewonnen hat, ist Sebastians Jugendfreund Oskar. Beide studierten gemeinsam Physik und sind brillant. Während Sebastian sich aber gegen eine Karriere und für Maike und Kind entscheidet, wird Oskar zum einsamen Genie und fühlt sich von Sebastians Sohn Liam um die Aufmerksamkeit des Freundes gebracht. In dem Krimi, den die Autorin um die beiden Protagonisten und die Quantenphysik drapiert, wird Oskar Liam entführen lassen und Sebastian zum Mord an einem unschuldigen Dritten treiben. Das Mordopfer, ein Fahrradfahrer, treffe ich einige Tage später in meiner Küche wieder: Ein Freund meiner Mitbewohnerin rasiert sich für seine Komparsentätigkeit die Beine. Überhaupt scheint ganz Jena involviert. Redakteure von Lemma, Unique und Campusradio sind Füllmasse für den Film, die Schauplätze über die ganze Stadt verstreut.

Mordopfer in meiner Küche

Die Rosensäle werden zur Kommandozentrale, der Hörsaal 24 im UHG zur Kulisse. Dort waren die Hochzeitsgäste noch Physikstudenten. Wo sonst über grammatische Strukturbäumchen des Deutschen und literaturwissenschaftliche Betrachtungen doziert wird, schrieben Oskar und Sebas­tian verschachtelte Formeln an die Tafel. Wir staunten, stießen unseren Nachbarn begeistert an, wurden immer begeisterter und sprangen dann auf, um zusammen mit dem Rest des Hörsaals in Gejubel auszubrechen. Es ist anstrengender, als ich dachte, einfach zwischen den anderen Komparsen zu verschwinden und mit ihnen zusammen das Bild um die Hauptdarsteller herum zu füllen. Zwar sitzen wir immer wieder auch stundenlang herum, essen Kuchen und warten auf Sonne, richtige Kameraeinstellungen oder den neuen Haarschnitt eines Hauptdarstellers. Wenn es dann aber losgeht, muss sofort über den Schatten gesprungen werden. „Nicht in die Kamera gucken!“, heißt es auch immer wieder. Schon aus Neugier huschen die Augen aber immer wieder automatisch hinüber.
Am Ende des Tages erwartet mich dann die gefährlichste Aufgabe: Mit meinem klapprigen Fahrrad muss ich an den beiden Hauptdarstellern vorbei, die auf einem alten Auto liegen und Wein trinken, den Hang vor dem Unigebäude in der August-Bebel-Straße 4 hinunter brettern. Komparsen stehen im Weg; allerhand Leute, die mit merkwürdigen Geräten das Licht messen oder zerstörte Weinflaschen ersetzen, ebenfalls. War mir den ganzen Tag über kalt gewesen, weil ich in einem Sommerkleidchen fröhlicher Hochzeitsgast war, gerate ich nun ins Schwitzen. Unten angekommen beobachte ich die Schauspieler. Saucool liegen sie da und ulken, die Welt gehört ihnen. Die Regisseurin rennt um die beiden herum und ist begeistert. Scheinbar hat sie sich das so vorgestellt. Nun, kurz bevor der Drehtag für mich endet, bin ich froh, nur Komparse zu sein. Ich könnte nicht einfach ohne Grund loslachen und vollkommen ausgelassen sein – oder auf Kommando so aussehen. Irgendwie käme ich mir dann doch lächerlich vor.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Administrator

    Was für ein Müll …

  2. sofa

    Was fürn Müllkommentar !

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