Spurensuche

Politisch motivierte Kunstaktion mit Folgen

Von Janina Rottmann




Der Name “Industrielle Reserve-Armee” ist von einer lokalen Zeitarbeitsfirma und marxistischen Lehren inspiriert.

Foto: Katharina Schmidt

Seit drei Wochen streifen Unsichtbare durch Jena. Auf ihrem Weg durch die Innenstadt passieren sie mit großen Schritten einen Friseur, eine Zeitarbeitsfirma und machen Halt vor den hölzernen Toren der Universität. Am Ende ihres Weges erreichen sie die Agentur für Arbeit. Der Regen hat mittlerweile zwar viele ihrer Fußspuren verwaschen und auch ihre in Beton gegossenen Schuhe, die sie feinsäuberlich an jenen Orten hinterließen, wurden bereits entfernt. Dennoch sorgt ihre Reise im Moment noch für einiges Aufsehen.

“Es läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung. Der Schaden kann allerdings noch nicht beziffert werden”, sagt Rico Kühn, Polizeihauptkommissar in Jena.
Die Urheber der Aktion sind junge Menschen, die in einem losen Zusammenschluss auf schlechte Arbeits- und Lebensbedingungen aufmerksam machen wollen. Mit Stempeln und weißer Farbe bewaffnet markierte eine 14-köpfige Gruppe am Mittag des 27. April die Innenstadt mit den etwa 10.000 weißen Fußabdrücken. Die Polizei beendete die Aktion und nahm die Personalien auf. Die Idee war von der selbsternannten “Industriellen Reservearmee” ausgegangen. “An der sauberen Fassade Jenas kratzen” – so beschreibt die 35 Jahre alte Annekathrin Manger das vordergründige Ziel.
Gegenwärtig treffen sie sich einmal pro Woche. Teile von ihnen sind in der Gewerkschaft organisiert. “Viele Leute sehen nicht, was für Leid sich hinter der sauberen Fassade Jenas versteckt. Wir wollen auf diese unsichtbaren Menschen in prekärer Lebenslage hinweisen und erreichen, dass Solidarität auch im Alltag gelebt wird”, erklärt Manger den Hintergrund. Dabei kritisieren sie auch, dass Festangestellte immer häufiger durch Hiwis und unbezahlte Praktikanten ersetzt werden. “Die ganze Uni funktioniert nur mit Hilfskräften, aber die meisten Studenten nehmen ihren unterbezahlten Job dort nicht als Problem wahr”, meint auch der 27 Jahre alte Frank*. Das Etappenziel sei es, auf all das aufmerksam zu machen.
Politisch hat sich das Bündnis jedoch bereits eindeutig positioniert: “Für die heutigen Probleme finden wir im Kapitalismus keine Lösung”, erläutert Frank – konkrete Forderungen formuliere die Gruppe aber gerade erst. Bewusst sei ihnen durchaus, dass es zu strafrechtlichen Konsequenzen kommen könnte. “Das Kommissariat für Staatsschutz ermittelt hier. Dieses befasst sich mit politisch motivierten Straftaten”, erklärt Kühn. Die Gruppe reagiert allerdings gelassen darauf: “Das Verfahren an die Abteilung Staatsschutz abzugeben, ist ebenso absurd wie wenig überraschend”, entgegnet Manger. Bisher hat der Kommunalservice Jena vergeblich versucht, die Abdrücke zu beseitigen. Allein aus diesem Grund werden sie wohl noch eine Weile für Gespräche sorgen.

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