“Stura macht einfach keinen Spaß mehr”

Der Stura beklagt sich über fehlende Ehrenamtliche, er hat kein gutes Ansehen und mit der Arbeit geht es auch nicht so recht voran. Wir fragen jede Ausgabe ein Mitglied, woran das
liegen könnte, und machen weiter mit Lilly Krahner für den Ring Christlich-Demokratischer
Studenten (RCDS)
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Das Gespräch führte Lukas Hillmann

“Der Druck aus dem Gremium macht den Vorstand kaputt.” Foto: Götz Wagner

Lilly, wie erklärst du dir die RCDS-Mehrheit im Stura, trotz eher linker Studierendenschaft?
Als ich damals im Stura angefangen habe, kam ich als Einzige vom RCDS in das Gremium, was sich zuletzt gewandelt hat. Auf der einen Seite wird der RCDS gar nicht als so politisch wahrgenommen. Auf der anderen Seite haben wir massiv davon profitiert, dass andere Hochschulgruppen bei der letzten Wahl keine Listen eingereicht haben. Außerdem sind Stura-Wahlen immer mit Personen verknüpft, bei uns in den letzten Jahren vor allem mit Markus Wolf. Der ist bei den Spowis und an seiner Fakultät sehr bekannt, hat viel geleistet und dadurch auch massiv Stimmen angezogen. Auf Initiative des RCDS wurden damals die Onlinewahlen eingeführt, was uns vielleicht auch die eine oder andere Stimme eingebracht hat.

Trotz Onlinewahl lag die Wahlbeteiligung in der letzten Wahl bei 16 Prozent. Ist der Stura eine repräsentative Vertretung der Studierendenschaft?
Für mich in keinster Weise. Ich würde zwar auch nicht sagen, dass die Studierendenschaft hauptsächlich links ist, ich denke, viele sind auch einfach unpolitisch. Außerdem haben wir als RCDS bei der letzten Wahl gut mobilisiert. Aber bei 16 Prozent kann auch niemand den Anspruch auf angemessene Repräsentation haben.

Haben Studierende keine Lust auf Hochschulpolitik?
Die Studierenden interessiert, wie viel ein Mensaessen kostet oder wie hoch der Semesterbeitrag ist. Aber der Stura hat in den letzten Jahren den Anschluss verloren. Es war schon zu meiner Anfangszeit schwierig im Gremium, aber es hat sich nun noch einmal deutlich verschlimmert. Man hört nur Selbstbeweihräucherung, Clinch zwischen einzelnen Personen. Alles ist persönlich aufgeladen und das merken die Studierenden natürlich. Dann bleibt die Frage: Welchen Mehrwert haben die Studierenden aus der Arbeit des Stura? Wenn sie keine Ergebnisse hervorbringt und wenn wir die ganze Zeit nur über uns selbst diskutieren, brauchen wir uns nicht wundern, dass niemand Lust hat, mitzuwirken.

Die Person, die Vorstand macht, ist am Arsch, es ist furchtbar.

In unser Interviewreihe wollen wir erfahren, was beim Stura schiefläuft. Aber zunächst interessiert uns: Was läuft denn gut im Stura?
Es gibt einige wenige Menschen, die den Stura noch zusammenhalten. Die sind immer da und denen geht es wirklich darum, etwas für die Studierenden zu machen. Die verstehen sich auch über politische Differenzen hinweg. Auch die Gründung der AG Ukraine lief gut. Der Großteil der Studierenden trägt diese Idee mit, viele beteiligen sich an den Aktionen. Ansonsten fällt es schon schwer, Gutes zu finden.

Ist es leichter, zusammenzufassen, was schlecht läuft?
Was mich sehr ärgert ist die Tatsache, dass Dinge aus nicht-öffentlichen Gesprächen nach außen dringen. Da geht es meist um Persönliches, das hat in der Öffentlichkeit nichts zu suchen und sollte so lange zurückgehalten werden, bis es vom Stura oder der Person selbst öffentlich gemacht wird. Außerdem hängen wir uns zu sehr an einzelnen Personen auf. Florian Rappen ist häufig ein großer Streitpunkt, worauf er selbst es auch manchmal anlegt. Man muss ihm aber auch anrechnen, dass er in den vergangenen Jahren einiges für die Studierenden gemacht hat, auch wenn es immer wieder Kritik an seinen Festivals gab. Das ist, was ein Großteil der Stura-Mitglieder verloren hat, der Respekt vor den Anderen und deren Arbeit. Es geht von allen Seiten viel zu viel um das Durchdrücken der eigenen Ideologie. Außerdem gibt es zu viele personelle Verflechtungen, sodass oft nur persönliche Interessen verfolgt werden.

Würde eine Amtszeitbegrenzung helfen, die persönlichen Konflikte im Stura klein zu halten?
Eine Amtszeitbegrenzung halte ich für eine Option. Manchmal können wir aber von Erfahrung profitieren, gerade bei Haushaltsfragen. Wenn ich mich entscheiden müsste, dann würde ich mich eher für eine Begrenzung der Amtszeit entscheiden. Drei bis vier Jahre, die Zeit eines Bachelorstudiums, wären ein Kompromiss.

Der Stura hat extreme Probleme mit der Wahl des Vorstands. Warum will niemand einen Vorstandsposten übernehmen?
Ein Vorstandsposten bedeutet viel Arbeit für eine kleine Aufwandsentschädigung. Das finde ich auch richtig, denn es ist ein politisches Ehrenamt und man sollte es nicht wegen der Bezahlung übernehmen. Ein Vorstand muss die ständig währenden internen Kriege innerhalb des Sturas ausbaden. Die Person, die Vorstand macht, ist die, die am Arsch ist, es ist furchtbar. Ich persönlich würde es zeitlich nicht schaffen, weil ich anderweitig zu stark eingebunden bin. Gleichzeitig würde ich jeder Person vom Vorstandsposten abraten, weil man nur verlieren kann. In meinen Jahren als Stura-Mitglied habe ich noch keinen Vorstand erlebt, mit dem die Leute zufrieden waren. Im Stura herrscht zu viel böse Energie und der Vorstand wirdviel zu häufig unbegründet stark unter Druck gesetzt.

War das beim aktuellen Vorstand auch das Problem, weswegen er gerade nur aus Paul Staab besteht?*
Ich hatte eigentlich das Gefühl, dass Laura Steinbrück, Patrick Riegner und Paul Staab gut miteinander harmonierten und dass sie sich persönlich gut verstanden, obwohl sie aus verschiedenen politischen Lagern stammen. Was den Vorstand und alle anderen davor kaputt gemacht hat, ist der Druck aus dem Gremium. Es wird ständig draufgehauen, böse Mails werden geschrieben, die Vorstände müssen persönliche Anfeindungen aushalten. Das ist keine gute Kommunikationskultur mehr.

Hat der RCDS als größte Fraktion nicht die Verantwortung, zumindest ein Vorstandsmitglied zu stellen?
Darüber haben wir intern viel diskutiert. Wir sind der Meinung, dass es niemand machen sollte, der es, zusätzlich zum normalen Stura-Mandat, zeitlich nicht schafft. Ein Vorstandsmitglied zu stellen wäre eine Option, damit der Stura sich nicht auflösen muss. Aber wenn wir das machen und die Person dann keine Zeit hat, höre ich jetzt schon die Rufe der anderen Listen, dass der Vorstand die Arbeit blockieren würde.

Auch die Anwesenheit der anderen Mitgliedern wird über das Semester immer weniger.
Auch hier ist der Umgang untereinander das Problem. Die Gruppe an aktiven Mitgliedern wird kleiner und dann wird sich aufgeregt, dass die großen Listen Dinge durchdrücken. Ich finde, dass die sich zusammenreißen und die Debatte wieder in den Stura bringen müssen. Es muss wieder um die Inhalte gehen, sonst kommen wir nicht weiter. Durch die Haushaltssperre können wir keine Projekte finanzieren, für die eigentlich Geld da wäre.

Aber ist es nicht auch verständlich, dass Mitglieder, die neu in den Stura kommen und angefeindet werden, irgendwann nicht mehr kommen, weil sie das nicht mehr aushalten?
Ja, uns fehlt die Diskussionskultur, ganz klar. Selbst bei kleinen Dingen, wie Mittelfreigaben: Man denkt, das wird einfach durchgewunken, aber es entsteht eine riesige Diskussion. Das ist doch verrückt. Und es wird schnell persönlich. Wenn ich selbst die Stura-Arbeit nicht schon so viele Jahre machen würde, würde ich mir das auch nicht mehr antun. Dann würde ich mich auch nicht jeden Dienstag sechs Stunden nach der Arbeit in die Uni setzen. Es macht einfach keinen Spaß mehr.

Als vor ein paar Wochen der Wahlvorstand gewählt wurde, der für die nächsten Wahlen essentiell ist, haben Stura-Mitglieder gezeigt, wer am längeren Hebel sitzt. Will der Stura nicht, dass andere Menschen für ihn arbeiten?
Dieser Umgang geht einfach nicht, gerade bei Menschen, die ehrenamtlich für den Stura arbeiten wollen. Man legt sich ins Zeug und es werden einem nur Steine in den Weg gelegt. Es bedankt sich niemand. Ständig wird Kritik geäußert oder die Leute werden persönlich angefeindet, aber einen Vorschlag, wie man Probleme anders lösen könnte, bringt keiner.

Mit dem fehlenden Engagement geht die aktuelle Haushaltssperre einher. Wie soll das weitergehen?
Ich glaube, am sinnvollsten ist es, den Stura jetzt aufzulösen. Die Fronten sind gerade zu sehr verhärtet. Niemand findet sich für den Vorstand. Es will sich keiner 20 Stunden die Woche hinsetzen, um sich letztendlich anpöbeln zu lassen. Es brauchen viele einen Kurs darüber, wie man angemessen diskutiert, ohne das Gegenüber zu verletzen.

Für die Haushaltsverantwortung gingen vier Bewerbungen ein. Kann man diesen Bewerber:innen die Arbeit nicht anvertrauen?
Bei manchen Menschen gibt es einfach zu viele persönliche Verflechtungen in andere Bereiche. Und gerade bei diesem Posten halte ich das für schwierig. Wir brauchen eine Bewerbung von einer Person, die neutral ist und mit dem Kram aus der Vergangenheit nichts zu tun hat. Denn so kann sie objektiv auf Sachen schauen. Die Geschichte um die Haushaltsverantwortung in der letzten Legislatur, das Verschwinden der Gelder trotz Vier-Augen-Prinzip, hat dem Stura den Todesstoß gegeben. Das hat uns alle schockiert. Ich denke, es ist wirklich gut, wenn in diesem Posten Personen sitzen, die mit dieser Sache nichts zu tun haben.

Hat der Stura noch eine Daseinsberechtigung?
So, wie er gerade besteht, hat er keine. Dann könnte man den Semesterbeitrag lieber den Fachschaften geben. Die können Veranstaltungen planen, Geld ausgeben und wirklich etwas für die Studierenden schaffen. Dann ist das Geld auch gut investiert. Deswegen würde ich mir wünschen, dass sich entweder alle zusammenreißen, lernen angemessen zu diskutieren, oder dass der Stura sich auflöst. So, wie es gerade läuft, kann es nicht weitergehen. Wir brauchen einen Neuanfang in geregelten Bahnen.

*Das Gespräch wurde am Freitag, den 13. Mai 2022 geführt. Mittlerweile besteht der Stura-Vorstand wieder aus drei Personen: Paul Staab, Samuel Ritzkowski und Leif Jacob.

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