WILLKÜRLICH GEKLINGELT

Haare im Abfuss, fetzige Partys, niemals allein sein. Das AKRÜTZEL wirft in seiner Rubrik einen Blick in Jenaer WGs. Diesmal: Party mit dem Vermieter im Kernbergviertel

Von Lotta Sedlacek

Ich wähle eine Handynummer von WG-Gesucht. Caro nimmt ab und hat sofort Bock: „Klar, das mach ich gerne, ich hab nur grad nen Weihnachtsbaum in der Hand.“ Wir einigen uns darauf, dass ich eine halbe Stunde später nochmal anrufe. Der Baum steht jetzt auf dem Balkon und Caro ist ein bisschen in Weihnachtsstimmung; die Mutti eines Mitbewohners hat wie jedes Jahr einen Adventskranz geschickt und Caro ist gespannt, ob an Nikolaus etwas in ihrem Schuh sein wird.

Zeichnung: Martin Emberger

Sie studiert im 3. Semester Laser- und Optotechnologie an der EAH; in der WG wohnt sie seit knapp zwei Jahren. Insgesamt sind sie zu viert: Carsten ist der „WG-Opa“, er wohnt seit etwa 5 Jahren hier. Er studiert Medizin und macht gerade sein praktisches Jahr, weshalb er zurzeit nur am Wochenende da ist, das reiße das WG-Leben leider ein bisschen auseinander. Conrad ist Grundschullehrer und musste wegen eines Corona-Falls an seiner Schule die letzten Tage in Quarantäne bleiben. Bald zieht er aus, weshalb die WG einen Nachmieter für sein Zimmer sucht. Im September ist der Spanier Javier eingezogen; er macht am Uniklinikum seinen Doktor in Chemie.

Der liebste Ort in der WG: Balkon im Grünen Foto: privat

Caro gibt mir eine kleine auditive Roomtour: Von einem großen quadratischen Flur mit Dartscheibe – die allerdings bald mit Conrad auszieht – gehen direkt drei der WG-Zimmer ab, nach rechts führt ein schmaler Flur, von dem man ins vierte Zimmer und zu Klo, Küche und Bad kommt. Die WG-Ausstattung ist bunt zusammengewürfelt, manches haben die Bewohner mitgebracht, anderes wurde über ebay-Kleinanzeigen bezogen und gemeinschaftlich bezahlt. Dadurch haben sie unter anderem eine Spülmaschine – beneidenswert. Im kleinen Flur findet sich die typische WG-Postkartenwand und in der bunt gestrichenen Küche tibetische Gebetsfahnen von einer Vormieterin. Bei einer vergangenen WG-Party verewigten sich die Gäste mit Kritzeleien an einer Wand im großen Flur, von denen die besten jetzt gerahmt sind. Daneben hängt ein Plakat mit der Aufschrift überall ausbrechender erneuerungswille, das Caro aus dem Bauhaus-Museum mitgebracht hat und das gut zu ihrer WG passe: „Es ist immer schön, wenn jemand Neues einzieht und frischen Wind mitbringt.“

Der liebste Ort in der WG ist – neben der Küche – der große Balkon, vor allem im Sommer. Der Vermieter, der unter ihnen wohnt, lasse den Garten ziemlich verwildern, und so sitze man beim Kaffeetrinken direkt im Grünen. Der Vermieter sei generell ein bisschen Hippie: „Bei WG-Partys ist er der erste, der da ist, und der letzte, der geht.“ Das WG-Leben sei sehr familiär und entspannt. Trotz unterschiedlicher Tagesabläufe verabredet man sich zum Kochen, und die Siedler-Spieleabende sind heilig – es gibt sogar eine Rankingliste mit dem Titel King or Queen of Catan. Da komme der Ehrgeiz der Bewohner nochmal anders zum Vorschein: „Manchmal artet es in unterschiedlichen Lautstärken aus, aber wir haben uns danach alle wieder lieb“, lacht Caro. Gerade vermisst sie nur die halbjährlichen WG-Partys. Ihr Ausgleich? „In der ersten Corona-Phase haben wir einfach unsere Partyleuchte im Flur aufgedreht und zu viert Party gemacht.“

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