Von offizieller Stura-Seite mangelt es an Öffentlichkeitsarbeit bei den Gremienwahlen. Die Listen werben größtenteils in den sozialen Netzwerken und bewegen sich damit in einer rechtlichen Grauzone.
Kommentar von Tim Große
Es ist das Gesprächsthema Nr. 12 nach der Wendler-Hochzeit: Stura-Wahlen an der FSU. Es kam ja sogar eine Mail. Bei sage und schreibe 23,96 Prozent lag die Wahlbeteiligung im letzten Jahr. Das ist fast ein Viertel von einem Kuchen, wovon natürlich manche satt werden, was aber ausbaufähig ist. Gerade in einem pandemiebedingt der Immobilie Universität recht fern wirkenden Semester gilt es, intensiv um die bloße Beteiligung zu werben. Und wo macht das ein Studierendenrat 2020? Genau, auf Facebook.
Benutzt das eigentlich noch jemand außer dem Stura? Ach ja, stimmt, Tante Ingrid postet da gerne Bilder von früher oder kommentiert in der Gruppe „Wir sind alle aus dem Saale-Holzland-Kreis“, was die Ausländers wieder schlimmes machen. 473 Personen haben die Stura-Seite abonniert. Einer von denen hat sich sogar dazu entschieden, den Veranstaltungspost „Gremienwahlen 2020 – Du hast die Wahl” mit einem Like zu versehen. Bei mehr als 17.000 eingeschriebenen Studierenden. Instagram scheint noch nicht entdeckt worden zu sein, analoge Wege sind sowieso out. Denn wer sich nicht in den Weiten der diversen Plattformen eines US-amerikanischen Unternehmens aus der Werbebranche bewegt, ist genauso verloren wie Leute, die mit einem vor 2016 gebauten Smartphone die Corona-App installieren wollen.
Nun ist es gerade in einer Zeit leerer Universitäten eine hohe Kunst, die sonstwo herumwuselnden Studierenden dafür zu begeistern, die studentische Demokratie am Leben zu halten. Das scheinen zumindest die meisten Listen begriffen zu haben und werben auf Facebook und sogar auf Instagram fleißig um Stimmen. Doch da haben sie die Rechnung ohne die Mütter und Väter der Stura-Wahlordnung gemacht, die besagt: „Die KandidatInnen sind dazu angehalten, mit Beginn der Urnenwahl die aktive Wählerwerbung einzustellen. Näheres regelt der Wahlvorstand“. Und dieser Wahlvorstand hat im Mai näher geregelt, dass zu dieser nicht gestatteten aktiven Wahlwerbung von Listen das direkte Ansprechen und Anschreiben, Werbe-Veranstaltungen und Wählt…-Flyer zählen.
In der Realität sieht das dann so aus, dass nach Beginn der Wahlen auf den Online-Präsenzen Beiträge erscheinen wie „Grüne Liste wählen”, „Juso-HSG wählen”, #rcds wählen”, „Stura-Wahlen 2020? Elli wählen!”. War da was mit aktiver Wahlaufforderung? Volt macht auch irgendwas und die Liste Die LISTE besteht aus abgekauten „Wählt uns, weil wir sehr gut sind“-Sprüchen, die 2005 mal lustig waren. AEM verzichtet vorbildlicherweise zumindest auf Plakaten und in Videos auf irgendwas mit „Wählt die Rappen-Gang“, investiert aber auch nach Beginn der Wahlen in zahlreiche Werbeanzeigen auf Facebook, Instagram und im Messenger. Auf acht von zehn Sponsored Posts ist Florian Rappen zu sehen. Aber auch die Jungsozialisten nutzen die Dienste des nicht allzu sozialen Konzerns und buchen nach Beginn der Urnenwahl Werbeanzeigen auf Facebook und Instagram.
Wer nicht aus Langeweile eine dieser diversen Listen abonniert hat oder entgegen der Wahlordnung zugesponsored wurde, der hat ja immerhin eine Mail bekommen. Die muss reichen. Denn zu viele Mails könnten die Studierenden nerven, wie die Wahlleiterin Cynthia Buchardt zu Protokoll gibt. Ja, natürlich gibt es wichtigeres als den Stura, aber dann könnte man sich das demokratische Konzept der Wahlen auch gleich schenken, und man schickt die 35 Mitglieder des Stura jeden Dienstagabend in eine Art Laienspielgruppe, in der sie in Ruhe ihr Planspiel Politik machen können. Ohne nervige Wahlen.
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