Deinen nächsten Kontoauszug solltest du nicht zum Tränen abwischen benutzen. Denn wenn das Geld knapp ist, könnte er dein Ticket für die Corona-Nothilfe werden.
von Janina Gerhardt
Am 15. Juni um 12 Uhr öffnete das Onlineportal für die Corona-Nothilfe. Diese kann für drei Monate bezogen werden und jeweils zwischen 100 und 500 Euro betragen, je nachdem, wie hoch der Bedarf ist. Ministerin Anja Karlizcek (CDU) schreibt in einer Pressemitteilung vom 30. Mai, dass sie die Sorgen und Nöte der Studierenden ernst nehme und das Ministerium für Bildung und Forschung 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen werde. Diese nicht zurückzuzahlenden Zuschüsse sollen von den 57 Studierendenwerken verteilt werden.
Dafür, dass 2,9 Millionen Deutsche studieren, sind 100 Millionen Euro deutlich zu wenig, findet Marcel J. Paul, Mitglied des Studierendenrats der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Bei einem Höchstsatz von 500 Euro, der drei Monate gezahlt wird, würden die Zuschüsse gerade mal für 67.000 Studierende ausreichen. Die Hilfe falle nicht nur zu gering aus, sondern käme auch viel zu spät. Sie kompensiere nicht die drei Monate, in denen Studierende die Zahlung von Rechnungen und Miete aufschieben mussten.
Auch Kai Gehring, Sprecher für Forschung, Wissenschaft und Hochschule der Grünen im Bundestag kritisiert, dass man drei Monate nach Pandemiebeginn nicht mehr von einer Nothilfe sprechen könne. Mit ihrer Trägheit bedrohe „Trödelministerin” Karliczek den Studienerfolg von hunderttausenden Studierenden. Für ihn seien die Zuschüsse höchstens eine „Alibi-Nothilfe”. Die vorübergehende Öffnung des Bafögs wäre laut ihm eine bessere Alternative gewesen.
Neuland Software
Das Deutsche Studentenwerk rechtfertigt die späte Umsetzung der Überbrückungshilfe damit, dass ein völlig neues onlinegestütztes
Förderverfahren für bundeseinheitliche Hilfen entwickelt werden musste. Vermutlich werden die Studierenden die Gelder erst nach dem 25. Juni erhalten. Die Auszahlung verzögere sich, da das Portal dafür noch in der Programmierung sei. Die späte Fertigstellung der Software macht Marcel wütend. Es wundere ihn nicht, dass sowas von einer Ministerin komme, die einst sagte, dass es „5G nicht an jeder Milchkanne” geben müsse.
Zu spät, zu wenig
Doch wer kann jetzt Geld bekommen? Alle immatrikulierten Studierenden an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen, unabhängig von Alter und Semesterzahl, können einen Antrag auf die Corona-Nothilfe stellen. Entscheidend hierbei ist der Kontostand des Antragstellers. Wer beispielsweise noch 200 Euro auf dem Konto hat, könne für diesen Monat noch 300 Euro dazu bekommen. Für die Antragstellung benötigt es Belege, warum man sich in einer pandemiebedingten Notlage befinde. Studierende sollen ihre Kontoauszüge der letzten Monate offenlegen. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht noch schnell Geld vom Konto geholt wird, um eine Notlage vorzutäuschen.
Die Offenlegung der Kontobewegungen der letzten Monate hält Marcel für besonders lächerlich, nicht zuletzt aufgrund des jüngsten Korruptionsskandals in der CDU. Es sei unfair, dass Studierende sich jetzt für alle privaten Ausgaben rechtfertigen müssen, um eine Existenzgrundlage zu erhalten, während ein übereifriger Unions-Politiker im Bundestag für eine US-Firma arbeite. Für Marcel ist die Überbrückungshilfe vor allem eine Hilfe für die Reputation der Bildungsministerin, aber nicht für jene Studierende, die gerade wirklich Hilfe benötigen.