Wider ein reguläres Semester

Das Sommersemester 2020 wurde zu einem regulären Semester erklärt. Daraufhin wurde die Initiative Solidarsemester Jena gegründet. Mit ihrer Petition haben sie über 2.000 Stimmen gegen den Entschluss der Universität gesammelt.

von Janina Gerhardt

In einem am 28. März veröffentlichten Interview nannte Walter Rosenthal, Präsident der Universität Jena, zwei mögliche Modelle für ein Semester in Krisenzeiten. Eines davon war das Freiwillige Semester, bei dem zwar Angebote für die Studierenden stattfinden, aber keine Pflicht besteht, an diesen teilzunehmen. Eine andere Überlegung bestand darin, das Sommersemester bis November auszudehnen.

Reguläres Semester in unsicheren Zeiten

Am 13.04 erreichte eine E-Mail die Studierenden, welche viele
überraschte: Das Sommersemester 2020 soll regulär stattfinden. Die Universität beruft sich hierbei auf den Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 3. April 2020, obwohl in diesem nicht konkret von einem regulären Semester die Rede ist. Die Entscheidung der FSU stieß deshalb auf Widerstand. „Ich dachte erst, es sei ein Missverständnis“, sagt Danilo Gajic. Er ist Teil von Solidarsemester Jena und wundert sich, wieso vonseiten der FSU von einem regulären Semester die Rede ist, obwohl ja offensichtlich eine Ausnahmesituation herrscht.
Kurz nachdem die E-Mail des Präsidenten herum ging, wurde die
Initiative Solidarsemester Jena gegründet. Inzwischen hat deren Petition „Wider ein reguläres Semester in Zeiten der Corona-Krise – Für ein solidarisches Semester an der FSU“ schon über 2.000 Unterschriften. Die Initiatorinnen und Initiatoren halten die Entscheidung der Universität für nicht hinnehmbar.

Keine Chancengleichheit

Die Chancen, das Sommersemester 2020 zu meistern, seien ungleich
verteilt. Manche Studierenden müssen Kinder betreuen oder Angehörige pflegen. Viele haben ihren Nebenjob verloren und nicht allen steht eine gute digitale Infrastruktur zur Verfügung.
Am 21. April wurde die Petition im öffentlichen Teil der Senatssitzung vorgestellt und dem Präsidium übergeben. Grundsätzlich sei die Initiative relativ positiv aufgefasst worden. Der Präsident habe auf viele Fragen von Solidarsemester Jena Antworten gegeben und bemühe sich um Nachteilsausgleiche bei Härtefällen. Laut Danilo verfehle die Individualisierung der Nachteilsausgleiche aber den Hauptkritikpunkt der Petition. „Es sollten nicht nur individuelle Nachteilsausgleiche, sondern eine grundsätzliche, alle Studierenden entlastende Lösung angeboten werden.“ Außerdem habe er Bedenken, dass die bürokratischen Anträge eine Zusatzbelastung für sowieso schon benachteiligte Studierende darstellen könnten. Hinzu kommt, dass es keine Rechtssicherheit gäbe, wirklich einen Nachteilsausgleich zu erhalten. „Man ist natürlich abhängig von den Leuten, die das entscheiden. Ob sie sagen: Ja, du bist betroffen genug, das zählen wir.“ Dabei könne man nur hoffen, dass die jeweilige Stelle kulant sei.

Mehr Mitbestimmung für Studierende

Die wesentliche Forderung von Solidarsemester Jena besteht darin, „dass kein Nicht-Semester stattfindet, aber auch kein Pflichtsemester, sondern ein Freiwilliges Semester“, erklärt Danilo. Allein das würde aber nicht reichen. Die Initiative fordert auch mehr Mitbestimmung für die Studierenden im Krisenstab und den einzelnen Taskforces. „Da reicht es auch nicht aus, dass einmal die Woche jemand aus dem StuRa mit dem Krisenstab telefonieren darf.“
Auch der Studierendenrat der Ernst-Abbe-Hochschule Jena fordert in einem Schreiben vom 30. April, dass die Perspektive von Studierenden verstärkt zur Gestaltung des Sommersemesters einbezogen werden soll. In diesem Schreiben werden konkrete Maßnahmen gefordert, um die Pandemie zu bewältigen. Diese sollen darin bestehen, dass die EAH Technik an Studierende verleiht, die technisch schlecht ausgestattet sind. Außerdem solle die Hochschule prüfen, ob geleistete Langzeitstudiengebühren zurückgezahlt werden könnten.

Auch eine Herausforderung für Lehrende

Nicht nur einige Studierende sprechen sich für das Solidarsemester aus, sondern auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Das Semester beginnt drei bis vier Wochen später, Prüfungen aus dem letzten Semester konnten teilweise noch nicht regulär abgeschlossen werden. Es kann einfach nicht als normales Semester klassifiziert werden, weil das nicht zutrifft“, findet Paul Helfritzsch, Lehrbeauftragter an der Philosophischen Fakultät der Uni. Im Angesicht der Gesundheitskrise kann man nicht einfach so tun, als könne man wie geplant weitermachen. Helfritzschs Kollegen stünden dem regulären Semester auch kritisch gegenüber.
Gerade in den Geisteswissenschaften stellt man sich ein digitales Semester besonders schwierig vor. „Im Gespräch zu zweit funktioniert das gut, aber ein Seminar mit 15 bis 20 Leuten über Zoom zu veranstalten, ist doch eher sehr schwierig“, sagt Helfritzsch. Wirklich zufrieden mit der Entscheidung sei bisher niemand, mit dem er gesprochen habe. Helfritzsch findet, dass es auch möglich gewesen wäre, „dieses eine Semester, in dem gerade sowieso nicht klar ist, wie Veranstaltungen und Prüfungsformen genau ablaufen sollen, einfach mal auszusetzen“. Dabei solle das Nicht-Semester nicht zur Regelstudienzeit zählen und Studierende weiter finanziell unterstützt werden.

Zukunft der Petition

„Wenn man denn wollte, könnte man den Beschluss des regulären Semesters auch noch bis August ändern“, meint Helfritzsch. Auch er hat die Petition „Wider ein reguläres Semester“ unterschrieben, weil er das Anliegen für nachvollziehbar und vertretungswürdig hält. Dass die Petition etwas an den Plänen der Universität ändern wird, glaubt er aber nicht.
Danilo hingegen ist optimistisch, da es inzwischen auch schon Stellungnahmen von Instituten gibt und auch Dozentinnen und Dozenten die Petition unterstützen. „Wir hoffen, dass die Universitätsleitung einsieht, dass das auch eine Möglichkeit für die Universität ist, mit leuchtendem Beispiel voranzugehen und zu zeigen: Hier bei uns zählt nicht nur Leistung, bei uns zählen die Menschen mit ihren Einbindungen ins Leben und deren Betroffenheit.“

Solidarität ist, wenn keiner kommt. Foto: Dominik Itzigehl

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