Wirklich eine für alle?

Eine Karte für alle(s) – das ist das Motto der Unisport-Card, die der Hochschulsport zum Wintersemester eingeführt hat. Die Karte sorgt seitdem für Diskussionen. Ein gutes Angebot, sagen die einen. Zu teuer und ungerecht, sagen die anderen. Was ist dran an der Kritik?

von Julia Keßler, Janina Gerhardt, Dominik Itzigehl und Robert Gruhne

Foto: Dominik Itzigehl

Das Semester beginnt traditionell an einem Montagmorgen um acht Uhr mit der Einschreibung in die Unisportkurse. Anfang Oktober erreichte viele, wenn auch nicht alle Studierenden eine Mail über ein neues Angebot: die Unisport-Card. Damit solle ein „Bewusstseinswandel“ in den Köpfen der Jenaer Studierenden angestoßen werden, heißt es vom Hochschulsport der Universität.

Statt sich nur einmal pro Woche sportlich zu betätigen, solle es nun möglich sein, zwei, drei oder auch mehr Kurse flexibel in den Alltag zu integrieren. Für einen monatlichen Beitrag von sieben Euro können Studierende die  Fitnessbereiche und eine Vielzahl an speziellen Unisport-Card-Kursen ohne Zusatzkosten nutzen.

Dr. Andrea Altmann ist Leiterin des Bereichs Hochschulsport und war an der Entwicklung der Idee beteiligt. Sie bezeichnet die Neuerungen im Unisport als Reaktion auf die sich wandelnden Alltagsbedingungen. Das alte System sei nicht mehr zeitgemäß gewesen. „Man hat nicht mehr jeden Montag um 18 Uhr Zeit, den einen gebuchten Kurs zu besuchen. Es kann schnell mal ein Workshop, ein Seminar oder eine Studentenparty dazwischenkommen und schon war es das mit dem Sport für die Woche.“ Diesem Problem soll die Unisport-Card entgegenwirken, indem sie mehr Flexibilität bietet. Wenn man es zu einem Kurs mal nicht schafft, hat man noch 80 andere Kurse, die fast zu jeder Uhrzeit und an jedem Wochentag stattfinden. So könne man regelmäßige Sporteinheiten am besten in den Alltag integrieren. 

Fast 3000 Cards

Das erste Feedback zum neuen System sei „zum ganz großen Teil positiv“, sagt Altmann. Sowohl Übungsleitende als auch Studierende scheinen aus ihrer Perspektive mit dem Systemwandel zufrieden. Das zeige auch die Statistik: Über 2900 Unisport-Card-Buchungen seien bisher eingegangen. Wie die Auslastung der speziellen Unisport-Card-Kurse sich entwickelt, könne man heute noch nicht sagen. Generell beliebte Kurse, wie Yoga oder Volleyball, waren genau wie vorher schnell ausgebucht.

Unterhält man sich mit Studierenden, sind die Reaktionen jedoch nicht ganz so eindeutig. Markus Wolf (Ring Christlich-Demokratischer Studenten), der als Stura-Vorstand des letzten Jahres immer noch geschäftsführend im Amt ist, findet die Unisport-Card an sich gut: „Ich als Sportstudent und angehender Lehrer kann es nur begrüßen, wenn die Leute den Zugang zum Sport erhalten.“ Er begrüßt vor allem die Möglichkeit, verschiedene Sportarten ausprobieren und damit vielleicht die Sportart fürs Leben finden zu können. Das Sportangebot der Unisport-Card ermögliche nicht nur Flexibilität, sondern sei auch vielfältig. Die über 80 exklusiven Kurse bildeten die gesamte Bandbreite vom Spielsport über Kampfsport bis hin zu fitnessorientierten Angeboten ab. Zusätzlich bezahlen Unisport-Card-Inhaber auch für das restliche Kursangebot weniger.

Zwei-Klassen-System?

Aber nicht alle sind mit der Neuerung zufrieden. Lehramtsstudent Felix Graf besuchte im Sommer mit seiner Freundin den Kurs Gesellschaftstanz und wollte diesen auch im Wintersemester weiterführen. Einen Punkt der neuen Unisport-Card hält er für so ungerecht, dass er einen Antrag im Studierendenrat stellte. Den Inhaberinnen und Inhabern der Karte ist es nämlich möglich, sich vier Tage vor allen anderen in die normalen Kurse einzubuchen. So würden „nicht nur Studenten erster und zweiter Klasse“ geschaffen, sondern auch Studierende mit eingeschränktem Budget benachteiligt, heißt es in Felix’ Antrag. Den Slogan der Karte aufgreifend schreibt er: „Aus ‚einer für alles‘ wird somit ‚eine für alle, die es sich leisten können‘.“

Markus Wolf zeigt Unterstützung für den Antrag: „Es ist einfach mega unfair den Menschen gegenüber, die die Karte nicht haben.“ Als Vorstandsmitglieder wurden er und seine Kollegin Lea Zuliani (Juso-Hochschulgruppe) vom Hochschulsport im Sommer zu einem Gespräch eingeladen. Thema war ein neues Projekt zum Gesundheitsmanagement, aber die Leiterin des Hochschulsports präsentierte den beiden auch ihre Idee der Unisport-Card, um die Meinung der Studierenden zu erfahren. Alle waren begeistert, der Vorstand berichtete wenig später dem Gremium davon. Ob die vorgezogene Buchungsfrist in dem Gespräch angesprochen wurde, ist sich Markus heute nicht mehr sicher. Es wäre ihm wohl aufgefallen, wenn es so gewesen wäre. Anfang Oktober sei auch er wie viele andere Studierende „irritiert“ gewesen, als er online davon las.

Felix kann sich vorstellen, dass es in diesem Semester viele Studierende gab, die sich die Unisport-Card nur gekauft haben, um sicher in ihren Wunschkurs zu kommen und „tatsächlich lieber in den sauren Apfel gebissen haben, einen weit höheren Preis als letztes Semester zu zahlen“. Und andere würden im Endeffekt jetzt weniger Sport machen, weil sie nicht in ihren Wunschkurs kämen, meint er. „Aktuell sehe ich in der Karte einen Vorteil für die, die eh Sport machen. Und für die, die wenig Sport machen, ist die USC eher fast noch ein Hindernis als der ersehnte Vorteil.“ Er selbst hat sich die Unisport-Card nicht geholt. Sein Glück ist, dass der Fortgeschrittenenkurs im Gesellschaftstanz sowieso nie ausgebucht ist.

Die Sorge, durch die vorgezogene Anmeldefrist keinen Kursplatz mehr am regulären Anmeldetermin zu erhalten, kann Altmann zwar verstehen, war aber ihr zufolge nicht berechtigt. Die Zahl der Kurse,die bereits vor dem offiziellen Beginn ausgebucht waren, hätte bei unter zehn Prozent gelegen. Das entspricht jedoch bis zu 45 Kursen. Altmann erklärt den Gedanken hinter der vorgezogenen Anmeldefrist: „Wir wollen viele Leute motivieren, diese Karte zu kaufen, um die Vorteile auch nutzen zu können.“ Dabei gehe es ihr nicht nur um die inkludierten Leistungen, sondern um die persönlichen Vorteile für die eigene Gesundheit.

Das Gesamtpaket biete jedoch auch ohne vorgezogene Buchungsfrist genug Vorteile, wie beispielsweise die Nutzung der Fitnessbereiche und der zusätzlichen Kurse, findet Felix. „Und das zu einem Preis, der sehr attraktiv ist, wenn du dir überlegst, dass du alle Teile dieses Gesamtpaketes separat buchen müsstest.“

Gestiegene Preise

Ein Punkt, den er auch unabhängig von der Unisport-Card kritisiert, ist die Erhöhung der Preise für die Kursteilnahme. Ein Beispiel: Sein Kurs Gesellschaftstanz kostet in diesem Semester regulär 33 Euro statt 24 Euro wie im letzten Semester – ein Anstieg um 38 Prozent. Das sei zwar immer noch billiger als „in der freien Wirtschaft“, aber eine Erhöhung, die einer Erklärung würdig sei.

Altmann betonte im Gespräch mit dem Akrützel, dass die Preiserhöhung unabhängig von der Unisport-Card notwendig gewesen sei, da die Preise im Jahr 2013 das letzte Mal erhöht wurden. Seitdem habe sich viel verändert, Geld sei in die Modernisierung der Anlagen geflossen und der Hochschulsport müsse auch in den nächsten Jahren erhalten und weiterentwickelt werden. Gewinn, der nicht in den Hochschulsport reinvestiert werde, mache der USV sowieso nicht, sagt Altmann. 

Vorbild Zürich?

Markus und Felix haben unabhängig von der Unisport-Card noch weitere Vorschläge, den Hochschulsport zu verbessern. Felix schlägt vor, die Kursvergabe zukünftig über ein Losverfahren zu lösen: „Das System gibt es ja schon, es heißt Friedolin.“

Markus gehen kleine Änderungen jedoch nicht weit genug. Er wünscht sich ein Solidarmodell, wie es beispielsweise in Zürich schon existiert. Genau wie beim Kulturticket könnte dann das Sportticket schon im Semes-terbeitrag integriert sein. Darüber hat er auch schon mit der Leiterin des Hochschulsports gesprochen, welche die Idee zumindest „spannend“ findet. Sie war an vielen europäischen Hochschulstandorten und hat das Modell dort bereits erlebt. Ein Hindernis bei der Einführung eines Solidarmodells könnte die kostendeckende Finanzierung sein – hinter dem Züricher Modell steckt als Hauptsponsor Nike.

Felix’ Antrag wurde Ende Oktober schließlich vom Stura unterstützt. Die Leiterin des Hochschulsports betont, dass sie offen für Kritik jeglicher Art sei und die Unisport-Card nicht zwangsläufig so bleibe, wie sie jetzt sei. „Ich freue mich darauf, mit dem Stura und den Studierenden im Gespräch zu bleiben“, so Altmann. Der USV nimmt die Kritikpunkte und alle weiteren Feedbacks mit in die Evaluationsrunde, um zu entscheiden, ob „das der richtige Weg war oder ob man da perspektivisch einen anderen Weg gehen wird“, sagt Altmann. Wenn ein Verbesserungspotential an der Karte festgestellt wird, gibt es gegebenenfalls Änderungen bis zum Sommersemester.

Langfristig wolle man “ein neues Verständnis für Bewegung etablieren”, sagt Altmann. Mitarbeitende und Studierende säßen teilweise acht Stunden am Tag. Der Hochschulsport und die Unisport-Card sollen dazu anregen, sich regelmäßig zu bewegen, möglichst jeden zweiten Tag und nicht nur einmal die Woche. Bisher nimmt nur ein Viertel der Studierenden am Unisport teil. Ob der „Bewusstseinswandel“ eintritt, wird sich in den nächsten Semestern zeigen. 

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