“Wir sind im Wartestand”

Das Interview führte Niclas Seydack

Man muss in den Gängen des Thüringer Landtags erstaunlich oft links abbiegen, bevor man bei Mike Mohring ankommt, dem Vorsitzender der Thüringer CDU. Mohring, den seine Mitarbeiter alle nur „Chef“ nennen, ist seit 1999 Mitglied des Landtags, seit 2004 gewann er dreimal das Direktmandat im Wahlkreis Weimarer Land I. Die CDU ist die stärkste Fraktion im Landtag. In die Opposition musste seine Partei dennoch, weil Sondierungsgespräche mit den Grünen sowie mit der AfD scheiterten. Von letzteren distanzierte sich Mohring später.

Herr Mohring, nach einem Jahr Pionierarbeit: Kann die Thüringer CDU Opposition?
Na klar! Aber sie will das gar nicht lange können. Unser Ziel ist es, in drei Jahren und acht Monaten wieder Regierungsverantwortung zu haben.

Was macht die CDU denn in der Opposition besonders gut?
Die CDU macht eine andere Opposition – nämlich nicht populistisch wie die Oppositionen der 24 Jahre seit 1990. Wir verstehen uns als Regierung im Wartestand und schlagen nur vor, was wir auch umsetzen würden, wenn wir wieder regieren.

Wenn Sie auf das letzte Jahr zurückblicken und der Landesregierung eine Note geben müssten, welche wäre das?
Wenn ein Christdemokrat einer linken Regierung eine Note geben und dabei objektiv bleiben soll… Drei minus, aber da bin ich echt fair.

Sind Sie manchmal neidisch, dass Bodo Ramelow mehr Twitter-Follower hat als Sie?
Ich bin nicht neidisch, sondern freue mich über die wachsende Zahl meiner Follower. Die entscheidenden Follower sind übrigens die Wähler. Da liegt die CDU deutlich vorn.

Wo sehen Sie die Chancen von Social-Media in der politischen Kommunikation?
Zunächst muss man es authentisch betreiben. Das heißt selbst machen. Aber: Man muss sein Amt beachten. Der Ministerpräsident neigt zu Aggressivität, besonders sonntagabends, wenn ihm der Tatort zu langweilig wird. Dann liefert er sich Twitter-Schlachten auf einem Niveau, das seinem Amt nicht angemessen ist.

Sie sagen, die CDU sei die einzige Stimme der bürgerlichen Mitte. Wer regiert dann gerade Thüringen?
Eine linke Koalition regiert Thüringen. Alle, die hier linke Politik machen, sind derzeit in der Regierung versammelt. Die bürgerliche Mitte wird – außer durch die CDU – von niemandem vertreten!

Es gibt noch andere Parteien…
Die FDP findet im politischen Geschäft nicht statt. Leider! Und die AfD hat sich durch populistisch-aggressive Äußerungen sehr weit an den Rand gestellt.

Was müsste eigentlich passieren, ehe man Sie auf einer Montagsdemo der AfD antrifft?
Viele, die in diesem Herbst demonstrieren, rufen „Wir sind das Volk“. Das ist geschichtsvergessen. Das sind ganz sicher nicht die Erben der Friedlichen Revolution vom Herbst ’89. Damals ging es um Freiheit. Wir wollten, dass die Mauer fällt und dass wir unsere Meinung sagen dürfen! Wir wollten reisen und nicht von einem Staat bevormundet werden, wie unser Leben zu sein hat. Das haben wir auch geschafft.

Was denken Sie, wenn Sie Ihren Parlamentskollegen Björn Höcke, den Fraktionsvorsitzenden der AfD, dort in der ersten Reihe sehen?
Er steht sogar auf der Bühne und hält aggressive Reden. Eine Partei, die vermeintlich für die deutsche Nation steht, handelt falsch, wenn sie aber durch ihre Politik die Gesellschaft spaltet. Wer das tut, hat den falschen Anspruch. Damit kann ich nichts anfangen.

Zuwanderung begrenzen, Flüchtlingszahlen reduzieren, Abschieben. All das sind Forderung aus dem 10-Punkte-Plan der mitteldeutschen CDU-Fraktionen. Wo ist da eigentlich der Unterschied zur AfD?
Sie vergessen die andere Seite. Natürlich setzen wir uns dafür ein, dass politisches Asylrecht gewährt wird. Und wir müssen die schützen, die in Not sind, wenn sie aus Kriegsgebieten kommen und ihnen einen Schutzstatus einräumen. Jene Menschen mit Bleibeperspektive müssen wir auch und besonders im Ausbildungs- und Arbeitsmarkt integrieren.

Mohring Quer

Jetzt kommt das „Aber“?
Der Staat muss in der Lage sein, das zu leisten. Er darf sich nicht selbst überfordern, sondern muss handlungsfähig bleiben. Schutz den Schutzbedürftigen ja, aber die Flüchtlingszahlen müssen reduziert werden. Ich stimme dem Bundespräsidenten Joachim Gauck zu, der sagt: „Wir Deutschen sind in einem Dilemma. Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“

Ist Ihr 10-Punkte-Plan eine Reaktion auf den Kurs der Landesregierung?
Unsere Positionierung ist eine zwischen der AfD und der linken Landesregierung. Dieser Plan ist aber auch unsere mitteldeutsche Erwartung, was die Bundesregierung als nächste Schritte lösen sollte und unsere Botschaft, dass in Mitteldeutschland nicht die Populisten mit den vermeintlichen einfachen Antworten die Debatten bestimmen, sondern die epochale Herausforderung differenziert angegangen werden muss.

Ihr Anspruch ist die Bundespolitik?
Genau. Der Antrag wird auf dem nächsten Bundesparteitag eingebracht und ich hoffe, dass ein Beschluss bei der Union zustande kommt, der auf diesen zehn Punkten basiert. Ist die Flüchtlingsbewegung in Deutschland angekommen, können wir noch reagieren. Lösen müssen wir die Lage vor Ort, auch gerade in den Drittstaaten: in Jordanien, im Libanon, in der Türkei und durch die Europäisierung des Asylrechts. Es ist gut und richtig, was wir in Deutschland bereden. Aber das sind nur Reaktionen, keine Politik, die aktiv einwirkt.

Kommen wir zurück nach Thüringen: Was wäre konkret für Studierende besser, wenn die CDU regieren würde?
Definitiv hätten wir früher eine verlässliche Finanzierung für die Hochschulen organisiert. Mit der CDU hätte es die Klarheit gegeben, dass etwa jene Millionen, die durch die Bafög-Entlastung frei werden…

…immerhin fast 50 Millionen Euro…
… dass diese ungeschmälert den Hochschulen zur Verfügung stehen. Das werden sie jetzt nur unvollständig und das ist ein Kritikpunkt. Dass man den Hochschulen diese finanzielle Entlastung im Landeshaushalt zur Verfügung stellt – das war die Idee. Die jetzige Landesregierung bricht diese Vereinbarung.

Sie haben in den Neunzigerjahren selbst in Jena studiert. Halten Sie die Studienbedingungen heute für besser als damals?
Es ist beeindruckend, wie die Bibliotheken heute ausgestattet sind, wie alles digital vernetzt ist. Auch im Nachtleben in Jena ist heute viel mehr los als zu meiner Zeit. Es lohnt sich, heute in Jena zu studieren.

Sie haben ihr Studium damals in Jena abgebrochen. Welchen Tipp würden Sie aus heutiger Sicht Menschen geben, die dasselbe in Betracht ziehen?
Durchhalten! Notfalls eine Verschnaufpause einlegen, aber in jedem Fall einen Abschluss anstreben. Vor allem, wenn neben dem Studium auch andere Dinge eine Rolle spielen, muss man sich neu sortieren. Aber ohne Abschluss wird es wesentlich schwerer durchs ganze Leben zu kommen.

Haben Sie es als Makel empfunden, dass Sie ihr Studium abgebrochen haben?
Absolut. Ich habe einen neuen Anlauf gebraucht, um mein Studium mit einem Double-Degree zu beenden. Aber man kann sich tatsächlich schon wundern.

Worüber?
In Deutschland ist das Scheitern gebrandmarkt, selbst an der Uni einen zweiten Anlauf zu brauchen. Dabei gehört das Scheitern genauso zum Leben wie die Möglichkeit zur zweiten Chance. Dafür plädiere ich!

Sie haben dann vor wenigen Jahren nochmal an privaten Hochschulen in Innsbruck und Frankfurt studiert. War es besser als an einer staatlichen Hochschule?
Ich habe mich ausschliesslich deswegen dafür entschieden, weil ich dort einen Abschluss neben meinem Job machen konnte. Ich habe mich vier Tage in der Woche ausgeklinkt, um zu studieren und den Rest der Woche habe ich Politik gemacht. Ich wusste, wenn ich noch einmal studiere, werden alle Beobachter und Konkurrenten darauf schauen, wie ich abschließe. Mir war klar, dass ich es besonders gut machen musste. Und dann ist es sehr gut geworden. So gesehen, war alles richtig.

Kennen Sie eigentlich die Netflix-Serie House of Cards?
Na klar. Ich habe alle Staffeln gesehen.

Welche Figur ist Ihnen am ähnlichsten?
Manche sagen: Frank Underwood.

Finden Sie das nachvollziehbar? Einige Porträts stellen Sie ja als politischen Zocker dar…
Es gibt schlechtere Figuren, mit denen man verglichen werden kann. Ich meine, immerhin ist es ist die Hauptrolle.

Sie sagten zu Beginn, die CDU sei eine Regierung im Wartestand. Sind Sie der Ministerpräsident im Wartestand?
Ich sage immer: Wenn eine Partei jemandem den Landesvorsitz zutraut, dann traut ihm diese Partei auch die Spitzenkandidatur zu.

Fotos: Christoph Worsch
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Eine Antwort auf “Wir sind im Wartestand”

  • Guter Mann – ehrlich und geradlinig! Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen. Herr Mohring: Durchhalten, weiter so! Thüringen braucht solche Politikertypen!

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