„Gegenwehr kannten die Nicht“

Ein Ex-Bursche über Braunbuxen

Blog:  burschenschafterpacktaus.wordpress.com Twitter:  @quovadisbuxe

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Twitter: @quovadisbuxe

Christian J. Becker wurde 1988 Mitglied in einer Burschenschaft. Als seine Verbindung 2011 im Dachverband den „Arier-Antrag“ stellte, der Abstammungsnachweise für neue Burschen fordert, schreckten Becker und andere auf. Sie gründeten, zunächst intern, die Initiative „Burschenschafter gegen Neonazis“. Später gingen sie damit an die Öffentlichkeit. Becker wurde von seiner Verbindung ausgeschlossen. Er sprach mit dem Akrützel über Nestbeschmutzer, Leuchttürme und Morddrohungen.

Ihr Blog „Burschenschafterpacktaus“ ist sehr erfolgreich. Was ist Ihr Anliegen?
Wir nennen uns die „Bombenentschärfer“. Wir entschärfen rechtsextreme Burschenschafter und deren Organisationen. Dazu gehören auch Verbände.

Wieviele Personen sind bei Ihnen aktiv?
Die Initiative besteht aus ungefähr 20 Personen, aber nur Einzelne treten öffentlich auf. Wir werden von den rechtsextremen Burschenschaftern auch attackiert – mit üblichen Methoden der Anti-Antifa wie Denunzierungen oder Morddrohungen.

Sind da einige nervös geworden, weil sie den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt haben?
Ganz rechte Burschenschafter sind extrem nervös geworden. Es gab auf den Burschentagen zwar immer wieder auch liberale Verbindungen, die zu den Rechten gesagt haben „Ihr seid Nazis, das geht so nicht.” Aber im Endeffekt hat das nur dazu geführt, dass die liberalen Burschenschaften aus der Deutschen Burschenschaft (DB) ausgetreten sind. Unsere Arbeit, sachlich und mit Quellen belegt aufzuzeigen, was die Herren so treiben, dies öffentlich zu machen und dann auch mit Journalisten und Politikern zu sprechen – diese Gegenwehr kannten die Rechten so nicht.
Es ist recht ungewöhnlich, wenn in einer Burschenschaft Leute aus den eigenen Reihen in die Öffentlichkeit treten, man ist da doch sonst eher verschlossen.
Das ist schon ein massiver Schritt gewesen. Es stimmt, dass Burschenschaften ziemlich verschlossen sind, egal ob es liberale, konservative oder rechtsextreme sind. Das ist auch eine Kritik, die wir anbringen – und damit machen wir uns nicht gerade viele Freunde. Dass die Rechtsextremen uns nicht besonders lieben, liegt auf der Hand, aber wir sind zum Beispiel bei vielen liberalen Burschen noch mehr verhasst. Das hat uns zunächst erstaunt, jetzt verstehen wir es. Für die sind Neonazis in Burschenschaften vor allem ein Imageproblem und wir werden als Nestbeschmutzer gesehen, die das Imageproblem öffentlich machen.

Wie ernst ist dieses Problem von Neonazis in deutschen Burschenschaften denn tatsächlich?
Es gibt in Deutschland ungefähr 250 Burschenschaften. Von denen sind momentan noch 96 im Verband DB. Dort gibt es diese rechte Pressure-Group „Burschenschaftliche Gemeinschaft“. Das sind knapp 40 Burschenschaften. Viele von diesen kann man ganz rechts außen ansiedeln. Die werden zum Teil auch in Verfassungsschutzberichten erwähnt. Wenn man das jetzt auf Personenzahlen hochrechnet, gibt es ungefähr 1.000 ganz rechte Burschenschafter in Deutschland und auch in Österreich.

Inwiefern tun sich Jenaer Burschenschaften hervor mit ihrem Umgang mit dem Rechtsextremismus?
Jena ist zweigeteilt: Einerseits gibt es die drei Urburschenschaften Arminia, Germania und Teutonia. Daneben gibt es die von Behörden als rechtsextrem eingestufte Burschenschaft Normannia Jena, die auch Kontakte zum Thüringer Heimatschutz hatte.
Die drei liberalen Burschenschaften sind für andere Burschenschaften ziemlich wichtig, einfach weil sie die Ersten – die Urburschenschaften – waren. Sie sind für viele wie eine Art Leuchtturm. Sie sind schon vor ein paar Jahren aus der DB ausgetreten und haben seit etwa sechs Jahren eine Veranstaltungsreihe, die „Deutschlandgespräche“. Aus denen heraus haben sich die „Bonner Märzgespräche“ entwickelt, bei denen man sich öffentlich zur Gründung eines neuen Verbands entschlossen hat. Da sind die Jenaer ganz vorne mit dabei und gehören zu den Antreibern der Erneuerung. Die würde ich sogar als progressiv für Burschenschaften einstufen.

Was sollten gerade die liberalen Burschenschaften im Hinblick auf einen neuen Verband tun?
Jetzt ist es wichtig, dass die Burschenschaften, die austreten oder ausgetreten sind, sich die wesentlichen Fragen stellen: Wozu braucht man eine Burschenschaft heute noch? Welche Werte gibt es? Welche Werte lohnt es sich auch zu transportieren? Und es wird nötig sein, dass die Burschenschaften sich im neuen Verband tatsächlich mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandersetzen, um daraus ein Konzept abzuleiten, wie man das in Zukunft verhindern kann. Für die Burschenschaften ist das ein ganz wichtiges Jahr der Neuausrichtung. Es wird nichts bringen, einfach nur einen neuen Verband zu gründen, wenn der nur ein bisschen liberaler ist als der andere. Dann wird man irgendwann die selben Probleme wieder haben können wie im alten Verband. Der neue Verband sollte für Erneuerung und eine Strategie gegen rechtsextreme Burschenschafter stehen. Außerdem müssen Burschenschaften in Zukunft mehr in die Öffentlichkeit gehen.

Das Gespräch führten Federico Antonelli und Kay Abendroth.

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