Die Kunst im Unvollkommenen

Anders Petersen-Ausstellung in der Kunstsammlung Jena

Von Daniel Hofmann




Anders Petersen gelingt es, sowohl das kindlich Unbefangene als auch den Beginn vom Ernst des Lebens in seinen Bildern einzufangen.
Foto: Daniel Hofmann

Die Metropolen Europas bereisen und dafür auch noch Geld bekommen:
Nur wenige Künstler können sich diesen Traum erfüllen. Der Fotograf Anders Petersen ist einer davon und seine Bilder werden zur Zeit in der Kunstsammlung Jena ausgestellt. „City Diary“ ist keine Sammlung von typischen Motiven aus einem Stadtführer für Touristen. Es sind grobkörnige Schwarz-Weiß-Fotos – ehrliche
Momentaufnahmen aus Paris, Venedig und Rom. Die Bilder zeigen skurrile Anblicke, wie einen Hund mit Gipsbein oder eine hockende Frau, die ihre Dusche zur Toilette umfunktioniert. Dazwischen
platziert Petersen vergleichsweise ruhige Bilder von angetrunkenen Barbesuchern, Liebespaaren in enger Umarmung oder einem eingeschneiten Friedhof, der durchzogen ist von Fußspuren. Die Fotos
wirken dabei niemals aufdringlich oder gestellt. Es ist beinahe so, als hätte der Fotograf eine Möglichkeit gefunden, sich mit seiner Kamera unsichtbar zu machen. Der als Vater der schwedischen Fotografie bezeichnete Künstler hat 1978 mit „Café Lehmitz“ sein erstes und meistbeachtetes Werk veröffentlicht. Erik Stephan, Kurator der Kunstsammlung Jena, zählt das Fotobuch zu den wichtigsten des 20. Jahrhunderts. Es dokumentiert über einen Zeitraum von drei Jahren das Leben im Hamburger Café Lehmitz, einem Treffpunkt für Prostituierte, Zuhälter und Kleinkriminelle. Die Menschen am Rande der Gesellschaft lassen Petersen danach nie wieder los. Er verbringt viel Zeit damit, die Gefangenen in einem Hochsicherheitstrakt zu fotografieren oder porträtiert die Patienten einer psychiatrischen Anstalt. Zwanzig Fotobücher wurden bisher von ihm veröffentlicht. Die Grenzen zwischen Dokumentation und Voyeurismus verschwimmen bei dem Autorenfotografen. Petersen bildet die Menschen in Momenten des Glücks und Elends ab. Er ist dabei wenn zwei Freunde in der Bar sitzen oder ein Paar Sex hat. Anders Petersen macht aus Intimität Kunst.

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