Derwisch und Floh

„Wir sind Helden“ machen Kulturarena zum Familienstraßenfest

von Johanne Bischoff



Foto: Daniel Hofmann

„Ihr Trottellummen könnt die Geräte ausstellen. Wir spielen noch“, sagt Judith Holofernes ins Mikrofon und lacht. Sie meint wohl einige Anwohner, die mit Schallmessern in den Fenstern stehen und anstatt sich über die Privataudienz von „Wir sind Helden“ in ihren Wohnzimmern zu freuen, lieber peinlich genau darauf achten, dass Dezibelgrenzen und Nachtruhe eingehalten werden. Doch bis der Stecker gezogen werden muss, haben die Helden noch ein bisschen Zeit.
Die Sängerin tanzt auf der Bühne, läuft zu den roten Hängeleuchten, die über ihren Köpfen baumeln und bringt sie zum schwingen. Anfänglich nervt ihre naiv kindliche Freude ein bisschen, doch wenn sie auch ihre melancholisch nachdenkliche Seite zeigt, springt ihre ganz besondere Emotionalität über, diese Natürlichkeit und die Freude an ihrer Musik.
Das Publikum ist bunt gemischt – a wie so oft bei der Kulturarena. Konzert- und Festivalgefühle mögen aber nicht so richtig aufkommen. Kinder mit neonfarbenem Gehörschutz tanzen neben Mitfünfzigern, die auf eins und drei klatschen; Teenager filmen ununterbrochen mit Handykameras; Studenten singen die Lieder ihrer Jugend mit. Es ist eher wie ein riesiges Familienstraßenfest, aber eben auch nicht ganz, denn die Menschen sind nur aus einem Grund hier: wegen der Musik. Bis in die hinteren Sitzreihen schaffen die Bandmitglieder es, die Zuschauer zu bewegen.
Pola Roy malträtiert sein Schlagzeug ohne die Augen zu öffnen. Er sieht aus als hätte man ihn gerade von einem Indientrip eingesammelt: Der Bart ist lang, schwarz und mit weißen Strähnchen durchzogen. Wie ein Derwisch dreht sich Holofernes auf der Bühne. Nach drei Liedern legt sie den Mantel ab und springt wie ein Floh im dunklen Kleid mit Petticoat und grünen Cowboystiefeln um ihr Mikrofon. Man merkt ihnen an, dass sie dieses Spiel schon länger spielen, doch das tut der Authentizität keinen Abbruch. Sie präsentieren einige Lieder vom neuen Album, und vergessen kein einziges ihrer bekannten von früher. Sie erzählen von ihrem Manager Danny, der aus Jena kommt, bei dessen Eltern sie im Garten manchmal braten, wenn sie hier sind. Sie beschwören das Wetter und nehmen Kontakt mit den Hörern auf dem Engelplatz auf. Sie geben Zugaben und dann gehen sie. In ihren Bus. Ganz unglamourös und normal, so wie sie eben sind. Und die Trottellummen können sich beruhigt schlafen legen.

Johanne Bischoff


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