Ein schüchternes Jenaer Publikum lauschte einem schüchternen Jochen Distelmeyer
Von Hauke Rehr
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Foto: Flämig/Kulturarena |
„Nicht so schüchtern! Es ist ein Rockkonzert!“ Und das war es auch. Distelmeyer hat nicht zu viel versprochen. Mochte auch der auf das Wetter gemünzte sanfte Einstieg „Regen“ an alte Blumfeld-Zeiten erinnern, legte Distelmeyer im Anschluss in der Tat rockige Titel vor, die Teile des trotz Jokerkarten mageren Publikums offensichtlich überraschten.
Auch gelegentliche Blumfeldeinsprengsel täuschten nicht darüber hinweg, dass sich etwas grundlegend geändert hat: Jochen macht seinem Soloalbum alle Ehre und gibt sich „heavy“. Der Wandel macht sich nicht nur im dem Musikstil geschuldeten Gebaren der vier auf der Bühne bemerkbar; auch die Texte müssen Blumfeld-Verehrer, die Distelmeyers Solokarriere bislang nicht mitverfolgt haben, bisweilen enttäuscht haben. Von der „Diktatur der Angepaßten“ zu „Wohin mit dem Hass?“ hat sich nicht nur die Schreibweise geändert, auch die Auseinandersetzung mit Politischem und menschlicher Gefühlswelt, für die Blumfeld bekannt und beliebt war, ist eine andere.
Gänzlich verfremdet ist der Distelmeyer alter Zeiten dann aber doch nicht, schließlich sind Themenwahl und Poesie noch immer die ganz privaten, die authentisch vom Menschen Jochen Distelmeyer erzählen, vom Menschsein allgemein, und eine Auseinandersetzung schaffen mit Problematiken, die kaum jemand so elegant in Worte faßt wie er.
Neu und anders, aber nach wie vor Distelmeyer. Zu Zeiten größter Beliebtheit mit Blumfeld hätte niemand erwartet, daß der selbst so schüchterne Bielefelder das Publikum ermutigt aus sich herauszugehen. Es ist schon traurig, dass es überhaupt zu diesem Aufruf kommen musste, und auch im Anschluss daran blieben Distelmeyers unnatürlich anmutende Entertainerbemühungen fruchtlos. Wie dem auch sei, immerhin konnte sich das Publikum noch genügend Begeisterung abringen, um der Gruppe um Distelmeyer noch Zugaben abzutrotzen, bis sich die Menge um zehn Uhr unter dem erneuten Einsetzen sintflutartiger Regengüsse sang- und klanglos auflöste. „Ist das alles, Jena?“ Ja, das ist alles.