Der lange Atem des Protests

Der Bildungsstreik geht weiter – trotz geringer Beteiligung

Von Charlyn Koch




Foto: Marco Fieber

„Kein Gott, kein Staat, kein Rektorat!“, hallte es am Mittwoch, den 9. Juni, durch Jenas Straßen, passenderweise genau zwischen dem Unihauptgebäude, diversen Polizeiwagen und der theologischen Fakultät – der Bildungsstreik hatte wieder begonnen. Etwa 500 Studenten begaben sich auf die Straße, um für ihr Recht auf „selbstbestimmtes Leben und Lernen“ zu demonstrieren. Die Forderungen waren ähnlich geblieben, konzentrierten sich dieses Mal aber vor allem auf die Master-Plätze und die Erhöhung der Bafög-Leistungen: „Wir lassen nicht locker“, hieß es in der Bildungsstreikbroschüre des Sturas. Trotz deutlich gesunkener Teilnehmerzahlen trat der Zug der Protestierenden doch teilweise lautstark und entschlossen in Erscheinung. Die Unileitung hatte dafür, wie zu erwarten war, wenig Verständnis.

Keine wirkliche Reform

Bereits zu Beginn des Bildungsstreiks tönte es aus dem Büro von Kurt-Dieter Koschmieder, Prorektor für Lehre und Struktur, er könne es nicht verstehen, weshalb die Studenten erneuert demonstrieren: Die Situation sei zwar noch nicht optimal, aber es habe sich schon viel getan. Die Uni sei den Studenten doch „entgegengekommen“. Das kann Stephanie Borck, die den Streik mit organisiert hat, nicht nachvollziehen: „Die einzelnen Veränderungen in den Instituten sind natürlich wichtig und richtig, aber im Endeffekt sind das nur Kleinigkeiten. Wir wollen eine wirkliche Reform.“
Die Haltung der Unileitung wurde nochmals auf der Podiumsdiskussion am Donnerstagabend deutlich. Unter dem Motto „Von Bologna nach Jena – Wege durch den Hochschuldschungel“ diskutierten neben Koschmieder die Bologna-Expertin des DAAD Janine Hofman und Matthias Schwarzkopf, Studienfachberater und Erasmuskoordinator des Insttiuts für Erziehungswissenschaft, über die gegenwärtigen Probleme an der FSU.
Koschmieder räumte auf der Debatte zwar ein, dass die Unileitung bei der Einführung der neuen Studiengänge Fehler gemacht habe. Aber es handele sich dabei auch um einen „Prozess“ und in Entwicklungen müsse „man Fehler machen“, aus denen man anschließend lernt. Diese Aussage wurde von Schwarzkopf in lapidarer Art und Weise bekräftigt, als er sagte: „Erinnern Sie sich mal, als Sie Laufen gelernt haben. Wie oft sind Sie da hingefallen und dann wieder aufgestanden? Menschen in Prozessen machen Fehler.“ Dass solche „Lernfehler“ die Zukunft von mehreren tausend Studenten beeinflussen, schien unbeachtet zu bleiben.
Janine Hofmann setzte den Ausführungen der Uni-Vertreter eine Umfrage entgegen: Laut dieser wollen 66 Prozent der Studenten wieder das alte Studiensystem mit den Magister- und Diplomabschlüssen zurückhaben: „Die Unzufriedenheit wächst“, fasste sie zusammen. Die sinkenden Teilnehmerzahlen stehen dazu allerdings im direkten Widerspruch. An der letzten Demonstration im Wintersemester waren noch 4.000 Studenten beteiligt gewesen. Die Gründe für die schwindende Zahl der Protestierenden dürften vielschichtig sein: Sicherlich waren die subtropischen Temperaturen ein Faktor. Dazu kommt die Macht der Resignation: Die Taktik von Unileitung und Kultusministerium, die Studentenproteste mit aller Gelassenheit auszusitzen, minimale Zugeständnisse zu machen und sich dabei den schwarzen Peter gegenseitig zuzuschieben, hat auf die Streikenden zermürbend gewirkt.

Leere Versprechungen

„Viele, die bei den letzten Streiks aktiv waren, haben das Gerede vom Ministerium tatsächlich geglaubt und darauf gehofft, dass sich jetzt tatsächlich etwas ändert“, meint Stephanie Borck. Der Gedanke, dass sich fachkundige Politiker nun um die Probleme der Studenten kümmern und man deshalb nicht mehr auf die Straße gehen muss, hat sich offenbar in vielen Köpfen festgesetzt. So wurden bei diesem Streik weder Hörsäle besetzt noch wurde versucht das UHG zu stürmen. Stattdessen beschränkten sich die Streikenden auf Info-Veranstaltungen und Workshops. Es scheint fast so, als hätte die Streikbewegung nach zwei aufreibenden Runden etwas Zeit zur Erholung und Selbstreflexion nötig.

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