Bloßstellen oder Propaganda

Wie Journalisten mit Nazis umgehen sollten – ein Kommentar

Von Jonas Janssen

Deutschlands bekanntester Holocaust-Leugner Horst Mahler begrüßte Michel Friedman vor zwei Jahren mit den Worten: „Heil Hitler, Herr Friedman.“
So verrückt es zunächst klingt: Journalistisch gesehen war dies ein Glücksfall. Nicht weil es dem Magazin „Vanity Fair“, in der das Interview erschien, Aufmerksamkeit einbrachte. Sondern vielmehr weil es eine wichtige Debatte lostrat: Wie sollen Medien mit Rechtsextremisten, Rassisten und Antisemiten umgehen? Viele schrien damals auf, es sei unverantwortlich einem Radikalen wie Mahler auf diese Weise eine Plattform zu liefern. Der Historiker Arno Lustiger zeigte „Vanity Fair“ sogar an. Trotzdem leistete Friedmans Interview etwas, das den Medien nur selten gelingt. Er führte den Wahnsinn des Mahlerschen Antisemitismus und Rassismus eindrucksvoll vor.
Die meisten Rechtsaußen von NPD und Co. sind jedoch weit weniger offen und verbergen ihre wahren Ansichten. Wenn sich Medien also auf das Wagnis einlassen, Rechtsextremisten zu Wort kommen zu lassen, muss genau das Ziel sein, was Friedman zum Großteil gelang: die Pervertierung von Begriffen, mit denen die Rechten hantieren, ihre Verachtung für die Grundrechte und ihre lächerlichen Verschwörungstheorien, kurz die ganze Unsinnigkeit und Widersprüchlichkeit des rechten Denkens bloßzustellen und zu entlarven. Nazis diskreditieren sich selbst, aber nur wenn man sie erfolgreich aus der Reserve lockt. Das ist eine große journalistische Aufgabe und gelingt bestenfalls harten Hunden wie Friedman. Die „Unique“ hat sich in ihrer letzten Ausgabe der Herausforderung gestellt und es gehörig vermasselt. „Wahre Ziele“ der Rechten sollten aufgedeckt werden, tatsächlich ließ man sich aber offenbar die Fragen diktieren. Kein kritisches Nachhaken, man ließ den Faschisten in aller Ruhe seine „Argumente“ vortragen. Kein Bohren, was denn das „Nationale“ in seinem kruden Sozialismusbild in Wahrheit zu bedeuten hat. Unwidersprochen durfte sich der Neonazi als Opfer präsentieren. Es ist in weiten Teilen schlicht peinlich.
Jenas interkulturelles Studentenblatt ließ sich für Nazi-Propaganda missbrauchen. Entweder hat es niemand in seiner Redaktion gemerkt, was fatal wäre, oder zwei Seiten mussten auf Biegen und Brechen gefüllt werden, was traurig wäre. Auf jeden Fall wurde eine Chance vertan, die braune Ideologie als das zu enttarnen, was sie ist: menschenverachtend.

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