Welche Solidarität?

Ein Blick auf die Semestertickets der Unis Halle und Leipzig

von Peter Neumann

Die Entscheidung bei der Urabstimmung fällt nicht nur für oder gegen das neue Modell. Mit einem Contra-Votum könnten neue Verhandlungen auch neue Alternativen mit sich bringen.
Um sich über andere mögliche Formen eines Semestertickets klar zu werden, genügt schon ein Blick in die Semesterticket-Landschaft unserer Partneruniversitäten Leipzig und Halle. Dort haben die Studenten nämlich gerade im letzten Jahr über ein landesweites Semesterticket abgestimmt: und sich mehrheitlich dagegen entschieden! An der Leipziger Uni waren es 53 Prozent der abgegebenen Stimmen, die ein Vollticket für unangebracht hielten, an der Hallenser Uni etwas deutlichere 67 Prozent. Unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle nicht, dass sich die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur sowie die Fachhochschule für Telekommunikation (beide Leipzig) für das vollsolidarische Modell entschieden haben. Aber was heißt eigentlich vollsolidarisch? Und welche Alternativen standen überhaupt zur Wahl?

Bisher haben Leipziger Studenten einen Sockelbeitrag von 28 Euro für ihr Semesterticket entrichtet. Damit konnten sie wochentags von 19 bis 5 Uhr, am Wochenende und an Feiertagen ganztags die Verkehrsmittel der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) nutzen. Mit dem vollsolidarischen Semesterticket hätte das ganze Gebiet des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes (MDV) ununterbrochen, ein Semester lang, bereist werden können – ein Gebiet, das sich von Halle bis nach Mittelsachsen erstreckt – für 92 Euro. Nach dem Contra-Votum bleibt ihnen jetzt die Wahl, es bei den 28 Euro Sockelbeitrag zu belassen oder wahlweise ein Vollticket für den Leipziger Stadtraum für 70,30 Euro oder ein Vollticket für das LVB-Netz in Höhe von 80 Euro zu erwerben.

In der Nacht gratis

In Halle sieht die Situation ähnlich aus: Hier können Studenten – dank des Contra-Votums – immer noch zwischen dem „Semesterticket Freizeit“ und dem „Semesterticket Plus“ wählen. Für das erstere ist ein Sockelbetrag von 15 Euro zu entrichten; fahren lässt sich‘s damit im gesamten Stadtgebiet Halle, zwischen 19 und 5 Uhr, am Wochenende und an Feiertagen ganztags. Beim „Semesterticket Plus“ können die Hallenser zwischen einem Vollticket für die Stadt zu 68 Euro und einem Vollticket mit einer zusätzlich angrenzenden Tarifzone für 100 Euro wählen. Eine Wahlfreiheit, die man sich auch in Jena wünscht. Immerhin kommen die Sockelmodelle nicht sehr viel teurer weg als das bisherige Jenaer Solidarmodell (86,20 Euro für Nah- und Fernverkehr).
Sicher bringt so eine Wahlfreiheit auch bürokratischen Aufwand mit sich. Praktikabler scheint es dagegen, allen Studenten ein vollsolidarisches Semesterticket wie dieser Tage in Thüringen aufdrücken zu wollen … das eben manche nicht brauchen. Und gerade diejenigen sind es, die den aus Thüringen stammenden Studenten die Heimfahrt spendieren, selbst aber nicht davon profitieren. Wer fährt schon mit der Regionalbahn bis an die hessische Grenze, um erst von dort aus den Schnellzug nach Frankfurt zu nehmen? Wäre es nicht solidarischer, ein Sockelmodell zu entwerfen, das wirkliche Alternativen – auch zum jetzigen Semesterticket – aufzeigt?

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