Anlaufschwierigkeiten

Die Rahmenbedingungen für Jenaer Musiker sind mangelhaft

Von Vera Macht, Sabrina Jaehn, Anna Zimmermann

Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum, sagt Nietzsche.
Foto: Elisa Nößler

Dienstagmittag vor C&A: „Streets of London“ schallt durch die Luft. David, 17, schüttelt seine blonden Haare zum Rhythmus seiner Gitarre. Als junger aufstrebender „Softrocker“ nutzt er die Fußgängerzone als Bühne.
Doch nicht nur zwischen H&M und Rossmann wird dem Musikfan in Jena viel geboten – von der alljährlich stattfindenden Kultur­arena über die Thüringer Jazzmeile bis hin zu Veranstaltungen wie der turntablenight oder dem Flutlicht- und Halfmoon-Festival kann jeder seinen eigenen Rhythmus finden. Die Liste ist lang. Doch wie sieht es für diejenigen aus, die selber Musik machen?
Vor welchen Problemen und Herausforderungen steht ein junger Jenaer Musiker, welche Chancen und Möglichkeiten stehen ihm offen? „Es ist schwer, in Jena Plätze für Auftritte zu finden“, meint Straßenmusikant David. Besonders wenn man eine Musik­richtung vertritt, die nicht bei der breiten Masse der Jenaer Studenten Anklang findet.

Deutscher Rap ist verpönt

Von diesem Problem kann auch „Bästifäntästi“ ein Lied rappen. Für seinen eigenen Stil sieht er in Jena keinen „harten kulturellen Kern“ etabliert. Wer Hiphop möge, müsse ins Uma Carlson ausweichen – obwohl dort eher R‘n‘B die Plattenteller regiere. Deutscher Rap hingegen sei verpönt und werde sofort mit „Künstlern“ wie Bushido in Verbindung gebracht, sagt Bästi. Um Auftrittsmöglichkeiten zu finden, hilft ihm nur seine Offenheit anderen Musikrichtungen gegenüber. So hat er beispielsweise im „Jugendclub Hugo“ in Winzerla einprägsame Erfahrungen mit Metallern gemacht: „Unsere Musik kam dort überhaupt nicht an. Also haben wir unser Set abgebrochen und mit ein paar anderen Musikern gejammt. Der Freestyle hat den Metallern gefallen.“
Überhaupt ist der „Jugendclub Hugo“ ein wichtiger Anlaufpunkt für junge Bands, da sein Programm zur Musikförderung in Jena einzigartig ist. Als Einrichtung des Jugendamts bietet er die Möglichkeit, dort zu proben und in den Clubräumen aufzutreten. Auch hilft er jungen Bands bei der Vorbereitung der Auftritte. Auf diese Weise sollen Jugendliche zum Beispiel lernen in der Gruppe zu leben und Konkurrenzdenken abzubauen, aber auch ihre Fähigkeiten am eigenen Instrument zu verbessern.

Musik stirbt mit den Orten

Eine Band, die ihre Wurzeln im „Jugendclub Hugo“ hat und heute fest zur Musikszene Jenas gehört, ist „Babayaga“. Seit 13 Jahren beobachten sie als Ensemble die Jenaer Musikszene – und haben daran einiges auszusetzen: „Früher war die Szene wesentlich bunter. Heute gibt es keinen Platz in Jena für kleine Kultur und keine Plätze für Musik. Und so stirbt Musik mit den Orten.“ Damit sind wohl kulturelle Einrichtungen wie das Caleidospheres und der Kulturbahnhof gemeint. Während ersteres dieses Jahr endgültig geschlossen wird, hat letzterer zwar beste Voraussetzungen, aber er benötigt dringend eine Sanierung. Denn aufgrund des fehlenden Lärmschutzes dürfen dort keine Bands auftreten. Trotzdem stellt der Kulturbahnhof Proberäume für junge Musiker zur Verfügung. Die Bedingungen dieser Kellerräume sind allerdings alles andere als erfreulich. „Wir haben nicht immer Strom, die Luft ist sehr feucht und im Winter sind die Räume nicht beheizt, sodass wir mit Handschuhen spielen müssen“, erzählt Schlagzeuger Hans von der „Kubajamband“, die dort einen Proberaum gemietet hat. Um diese Probleme zu beheben, wäre der Verein Kulturbahnhof auf Förderungen angewiesen.

Kaum Auftrittsmöglichkeiten


Foto: hauser@photocase.de

Diese Förderung würde auch „Freiflieger“ gut tun. Zur Zeit proben sie im Saal der evangelischen Gemeinde, „ein eigener Proberaum wäre allerdings sinnvoller“, sagt Stephan, ein Mitglied der Band. Wer keine Connections hat, wie hier zur Kirche, finde nur schwer einen Ort zur wöchentlichen Probe, meint er. Auch diese Band, die nicht der party­orientierten Musikkultur entspricht, findet also kaum Auftrittsmöglichkeiten. So haben „Freiflieger“ in ihrer vierjährigen Bandgeschichte bisher nur etwa zehn Konzerte gespielt. Dass es auch anders geht, zeigt Bochum. Dort gibt es ein Kulturbüro, das in Zusammenarbeit mit örtlichen und regionalen Jugend- und Kulturzentren sowie mit Szeneclubs Konzertreihen mit Bochumer Bands veranstaltet. Außerdem wurden bundeseigene Gebäude in Probenraumzentren umgebaut. In Jena wäre jenakultur ein Ansprechpartner zur Musikförderung – diese äußerten sich zum Thema allerdings lieber nicht.
Als Möglichkeit, eventuell an Fördermittel zu gelangen, bleibt in Jena der alle zwei Jahre stattfindende Nachwuchsbandwettbewerb des Jenaer Jugendamts im Kassablanca. Dort können sich Bands mit eigenen Kompositionen anmelden, die noch keinen Plattenvertrag unterschrieben haben. 2008 gab es als Hauptpreis 1000 Euro zu gewinnen, die in eine Frankreichreise mit Bandcoaching umgesetzt werden sollten. Die glücklichen Gewinner waren „Astrohead“ – die Freude währte allerdings nicht lange. „Die Reise wurde von diesem auf nächstes Jahr verschoben“, sagt Gino, der Bassist von „Astrohead“, etwas traurig, denn nun ist es fraglich, ob die Band ihren Preis terminlich überhaupt entgegennehmen kann.

Viel Kreativität in Jena

Doch wo die Stadt Unterstützung vermissen lässt, springen musikbegeisterte Jenaer Clubs oder Privatpersonen in die Bresche. 2005 wurde zum Beispiel der Verein Phonton gegründet, bei dem junge Bands nicht nur Hilfe und Beratung finden. Seit neustem hat er auch Kapazitäten an Proberäumen zu vergeben. Auch bei der monatlich stattfindenden Jam-Session im Grünowski bekommt jeder Jazzneuling die Gelegenheit, sein Können vor Publikum zu erproben. Bands anderer Musik­richtungen können erste Bühnenerfahrungen beim open corner im Café Wagner sammeln.
So hat dann doch fast jede Band die Chance, sich in Jena einen Namen zu machen und ihre musikalische Nische zu finden. Das beste Beispiel sind „Cowboy Bob and Trailer Trash“, zu denen inzwischen Punker, Rocker und Rentner gleichermaßen ihr Lasso schwingen. Ihre Fangemeinde reicht sogar bis in die Niederlande. Und auch „Los Banditos“ haben es zu Bekanntheit jenseits des Saaletals gebracht. Sie touren mittlerweile durch Städte wie Kairo und Schwerin, und kommen doch immer gerne nach Jena zurück. „In Jena findet man sehr viel Kreativität. Viele junge Bands tauschen sich untereinander aus und so fließen viele Musikrichtungen zusammen“, sagt Bassist und Frontsänger Django Boogiebastard Silbermann.
Fazit: Die Musiklandschaft in Jena ist ein bisschen wie eine Tüte Haribo Colorado. Bunt gemischt und für jeden was dabei. Allerdings darf man nicht davor zurückschrecken, sein Gummitierchen auch mal im Freien zu genießen.

Aufgepasst:
Einer limitierten Anzahl (500 Stück) des aktuellen AKRÜTZELS liegt ein Musik-Sampler bei, auf dem ausschließlich Jenaer Musiker vertreten sind.

Allgemein

7 Antworten auf Anlaufschwierigkeiten

  • Euer Artikel, wie die gesamte Ausgabe zur Jenaer Musikszene, strotzt vor Langeweile. Welchen Musiker im Studentenalter interessieren Nachwuchsbandwettbewerbe des Jugendamtes (!!!) oder der JUGENDclub Hugo als potentielle Startbasis? Staatliche Behörden und Musik – verträgt sich das? Im Gegenteil: hier wird Gefälliges honoriert, krasse Sounds scheiden in der Vorrunde aus. Vermisst habe ich die ganz großen Jenaer Bands: Skrupel (Grindcore, tourten um die halbe Welt), Rodeo Queen (Stonerrocktrendsetter), Narziss (HC, sind zwar komisch, aber international geachtet), Dyse (angesagtes Noiseduo, das in ganz Europa unterwegs ist) und schließlich Urgesteine wie Acid Test, Valderrama usw. Die Jenaer Szene ist bei weitem spannender und kreativer, als der Artikel über die Coverband “Cowboybob” oder die Langweiler “Freiflieger” vermuten lässt. Los Banditos als Aushängeschilder lasse ich gern gelten, auch wenn deren Zenit schon seit Jahren überschritten ist. Um einen angemessenen Artikel verfassen zu können, hätten die drei Autorinnen erstmal sehr tief graben und nicht nur die mypace-Seiten einiger weniger Gute-Laune-Bands besuchen müssen. Dann wären sie auf die Ursprünge der Szene in Form der Spermacombo etc. gestoßen. Interviewpartner hätte es reichlich gegeben: Booker, Musiker und Freaks. Zudem interessiert mich ein Interview mit Thomas Sperling und dem armseligen Resümee “Es muß halt grooven” wirklich null. Dann schon lieber ein Protagonist mit Aussage (vielleicht aus der analogen Ecke)! Davon – und es ist traurig, daß das in Euren lahmarschigen Artikeln nicht auszumachen ist – hat Jena zuhauf.

  • lieber jonas,
    ein paar bemerkungen zu deinem kommentar. so uninteressant ist der “Nachwuchsbandwettbewerb des Jugendamtes” für studenten dann doch nicht, schließlich kann man bis zum alter von 26 da mitmachen.
    soweit ich weiß waren valderama auch schon mal dabei, genauso wie narziss, die sogar mal gewonnen haben (2002?).
    ansonsten stimme ich dir zu – im artikel ist leider nur eine kleine sparte der jenaer musiklandschaft beleuchtet. zu einschlägigen elektro und hiphop “szenegrößen” wird ja vielleicht noch ein weiterer artikel erscheinen 😉

  • Hallo, ich habe den Artikel mit Interesse gelesen und möchte ergänzen, das einige musikbegeisterte Unternehmer den Jenaer Bands voll ausgestattete Proberäume anbieten wollen. Laut der Internetpräsenz: http://www.rockyourtalent.de sollen die Proberäume in einer ansprechenden Location und gegen ein sehr akzeptables Nutzungsentgeld bald verfügbar sein.

  • Pingback: Jenapolis » Jubiläum für den Jenaer Nachwuchsbandrockwettbewerb «
  • Hm, toll, und wer den Wettbewerb gewonnen hat, findet man immer noch nirgendwo. Überhaupt ist die Netzpräsenz dieses Wettbewerbs jenseits von gut und böse, das bißchen myspace bringt da garnix.
    Und man sieht: Behörden und Musikszene, verträgt sich halt nur zu einem gewissen Teil,. wie Jonas zu Recht bezweifelt.
    Andererseits: Es steht jedem frei einen Contest zu organisieren, und es ist doch fein, dass das Jugendamt das macht, besser als nix. Nur eben diese Webpräsenz … 🙂

  • “Laut der Internetpräsenz: http://www.rockyourtalent.de sollen die Proberäume in einer ansprechenden Location und gegen ein sehr akzeptables Nutzungsentgeld bald verfügbar sein.”
    Von akzeptabeln Preisen kann da ja wohl keine Rede sein. 7€ pro Stunde sind für eine Band, die effektiv Proben will (zwei mal pro Woche mindestens 2 Stunden) nahe unmachbar. Um die 60€ im Monat ist für viele Bands einfach nicht drin. Vor allem nicht, wenn man bedenkt, dass Jugendclubs ihre Proberäume in der Regel sogar kostenlos zur Verfügung stellen. Keine Frage, in Jena sind Proberäume extreme Mangelware und ich kann mich glücklich schätzen einen gefunden zu haben, der nur 20€/Monat kostet (dafür aber feucht und modrig ist), aber leider ist es so, dass wie bereits erwähnt wurde, durch diese akute Not an Möglichkeiten musikalische Entwicklung extrem gehemmt wird. Besonders für Livemusiker, wie Hardcore-, Metal- oder Rockbands die gern Inhalte mit ihrer Musik vermitteln würden ist das tragisch.

    Zwar ist das noch ein ganz anderes Thema, aber wäre es beispielsweise möglich leerstehende Häuser wie etwa alte Fabrikgelände kostenfrei zu besetzen und zu nutzen, würde sich die Lage dahingehend wesentlich entspannter zeigen. Ungenutzt sind sie so oder so.

  • liebe großtöner,
    als geborener ossi glaube ich ja immer noch, dass man heute die möglichkeit hat, sich zu informieren.
    leider habe ich in den posts nur dummschwatz lesen können, bis hin zu faschistoiden verleumdungen.
    seit 1995 organisiere ich den bandwettbewerb und alle die sich bewerben, können spielen, ausser wenn sie nazitexte haben. punk, hardcore, alle metalspielarten sind willkommen.
    die sehr seltenen sprechsinger bewerben sich erst garnicht.
    und wer 25 euro für eine probenzeit im monat nicht ausgeben will oder kann, der kann ja straßenmusik machen.

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