Poi: Vom künstlerischen Wirbeln mit Bändern
Von Simon Herker
![]() |
Und immer schön Abstand haltenFoto: Daniel Hofmann |
Wenn der Jongleur seine Bälle für jedermann offensichtlich an einem Seil in der Hand hält, ist es nicht unbedingt Betrug am Zuschauer: Vielleicht ist es Poi. Das süße explosive Wort mit den drei Buchstaben bezeichnet sowohl Sportart, als auch Sportgerät. USV-Trainerin Sandra Rienow drückt mir einen halben Meter blaues Stoffband in die rechte Hand. Ein zweites Band legt sie mir in die linke. An den Enden ist je ein kleines Säckchen mit Reiskörnern eingenäht. Die Bänder hängen herunter, die Gewichte baumeln ein wenig. „Und jetzt in Kreisen nach hinten schwingen!“, dirigiert mich Sandra. Also kreise ich meine Handgelenke. Sofort wird der Impuls an die Stoffbänder weitergegeben. In einer Kreisbahn rauschen die Bänder an meinen Ohren vorbei. Plötzlich läuft es wie von allein: Zentrifugalkraft live und direkt aus meinen Händen. „Jetzt führe die Arme ausgestreckt vor dem Körper zusammen.“ Die Stoffbeulen klatschen aneinander, die Bänder hängen wieder herunter. Ich beginne von vorn.
Poi hat erst vor wenigen Jahrzehnten seinen Weg von Neuseeland nach Europa gefunden. Es ist eine Mischung aus Jonglage und Tanz, bei der die Spieler zwei Poi in geometrischen Bahnen um sich wirbeln. Manche bezeichnen es als Sport, andere als Kunst.
Die meisten Spieler verbindet eine Leidenschaft für Feuer. Wer sich sicher genug fühlt, tauscht bei Dunkelheit gerne Stoffband und Reis gegen Kette, Docht und Lampenöl. Das verspricht mehr Adrenalin, sowohl für den Performenden, als auch für den Zuschauer. Dank der Geschwindigkeit der brennenden Kettenenden können die Spieler Figuren darstellen, die für Momente in der Luft zu schweben scheinen.
Bis die Poi dem Willen des Spielers folgen, braucht es viel Übung und Geduld. „Bei neuen Bewegungen ist zunächst ein gedankliches Grundverständnis vonnöten“, erklärt Sandra. Danach helfe der Kopf allerdings nicht weiter: „Die Gedanken sind langsamer, als die Poi schwingen.“ Nach viel Übung platze der Knoten irgendwann und die Bewegungen seien verinnerlicht.
Die Verbindung von Geist und Körper und das Ziel der inneren Einkehr treiben viele Spieler an. „Der Lebenstraum eines Poi-Spielers“, erzählt Sandra, „ist der Flow – das Spielen ohne Unterbrechung, ohne Nachdenken. Das Hineinfallen in den Raum und die eigenen Bewegungen.“ Von diesem Flow sind die neuen Kursteilnehmer noch weit entfernt. Ganz allmählich lassen erste Erfolge den Muskelkater in den Armen vergessen. Antrieb gibt es genug: Das Kursziel ist eine gemeinsame Choreografie für den Auftritt auf dem USV-Tanzfest am 18. Januar. Bis dahin könnte es Kunst geworden sein.