Hundreds spielen im Kassa
Von Anna Zimmermann
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Foto: Katharina Schmidt |
Ihre Musik ist, als liefe man nach dem ersten Frost morgens durch den Wald. Alles ist schön, die Zweige glitzern ein bisschen, der Boden ist nicht mehr ganz weich und die Spinnenweben sind im Reif erstarrt. Genauso kristallen und unwirklich kann man sich die Musik von Hundreds vorstellen. Einerseits leicht und zerbrechlich, zart und gefühlvoll; andererseits elektronisch kühl und energetisch, voller isoliert klarer Töne und synthetisch erzeugter Laute. Eine anziehende Düsterheit, die kühle Finger und ein warmes Herz macht. Wer Massive Attack, Björk und The Notwist mag, der hätte letzten Freitag im Kulturarena Club im Kassa einen schönen Abend verbringen können.
In einem schicken schwarzen Designercape schleicht Eva Milner, die Sängerin von Hundreds, auf Zehenspitzen auf die Bühne, die Kapuze über die Stirn gezogen. Eine zarte Person ist sie, gleichzeitig zurückhaltend und präsent. Barfüßig tänzelt sie, geschmeidig wiegt sie sich in der Musik. Ihr Elfengesicht wird erst nach dem ersten Lied sichtbar, ihre Stimme macht dafür gleich zu Beginn auf sich aufmerksam. Passend zur Musik ist sie federnd, aber distanziert. Ihr Bruder Philipp spielt Keyboard. Die beiden machen die Band Hundreds aus, komponieren die Songs – er die Musik und sie die Texte – und füllen sie an mit Lauten. Dabei lauschen sie auch auf Geräusche der Natur, nehmen sie auf und verarbeiten sie in ihren Liedern, wie in „Fighter“. Ein Stein fällt dort im Hintergrund in einen zugefrorenen See.
Aktuell werden sie bei Liveauftritten noch von Schlagzeug und E-Drums begleitet, das eigentlich elektronisch Computererzeugte wird auf der Bühne organisch. Die E-Drums bedient Tim Neuhaus, der selbst Solokünstler ist und früher den Erfurter Clueso bei Livekonzerten begleitete. Vielleicht kennt Philipp ihn aus der Zeit, in der er in Erfurt lebte. Mittlerweile zog er allerdings in die gleiche Hamburger Straße, in der auch seine Schwester lebt. Das erleichtere die Arbeit ungemein, so Eva in einem Interview, weil sie so einfach mit einer Songidee zu ihrem Bruder laufen könne – auch nachts um drei. Obwohl sie bereits als Kinder zuhause zusammen Musik machten, gib es sie als Band erst seit 2008. Im letzten Jahr veröffentlichten die beiden ihr erstes selbstbetiteltes Album „Hundreds“. Seitdem touren sie durch Deutschland und Europa, in Jena sind sie bereits das zweite Mal. Dass Hundreds hier nicht unbekannt sind und elektronischer Pop in Jena eine Lobby hat, zeigt sich auch daran, dass das Kassa gut besucht ist und sich ein großes Publikum in die Nebel der Band einlullen lässt.
In diesen Nebel taucht immer wieder die Sängerin Eva ab. Blaues und goldenes Licht wirft ihren Schatten in die Lichtprojektion eines Frauengesichts im Hintergrund und untermalt das sphärische Konzert der Elektro-Popper. Alles in allem schön ist es, ruhig und treibend zugleich. Poetisch, ohne schlierig zu sein, ein Spiel mit Licht und Schatten, dem Verstecken im Dunkeln und dem Tanzen im Licht. Und dazu singt Eva von der Natur, Feldern und Vögeln, von Einsamkeit und von menschlichen Begegnungen, die das kühle Herz ein wenig erwärmen. Dass die beiden mit ihrem Repertoire lediglich eine knappe Stunde füllen und dann von der Bühne huschen, scheint niemanden zu stören.