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Den Ausstiegsprogrammen für Neonazis fehlt das Geld

Von Anne Dünger

Alles, was ich will, ist nichts mit euch zu tun haben. Foto: AKRÜTZEL-Archiv

Deutschlands bekannteste Hilfsorganisation für Aussteiger aus der rechtsextremen Szene „Exit“ steht auf der Kippe: Im September 2008 hat die Bundesregierung beschlossen, die finanzielle Förderung des Programms zu beenden. Seit dem Jahr 2000 bot „Exit“ ehemaligen Rechtsextremisten Schutz und Begleitung beim Ausstieg aus der Szene an. Zur Zeit „verfügen wir über praktisch keine finanziellen Mittel mehr,“ sagt Matthias Adrian, Mitarbeiter bei „Exit“ und selbst ein ehemaliger Neonazi, der seit neun Jahren für die in Berlin ansässige Organisation überall in Deutschland arbeitet.
Adrian und seine zwei noch verbliebenen Mitarbeiter stehen unter enormem Druck: Sie sind praktisch nicht mehr handlungsfähig, haben derzeit aber etwa dreißig Fälle von Aussteigern zu betreuen. Darunter drei hochbrisante Fälle: hochrangige Neonazis, die sich zum Ausstieg entschlossen haben und nun massiv bedroht werden. „Einer von ihnen steht sogar auf der Liste ‘nicht lebenswerter Menschen‘, die die Nazis führen“, so Adrian. Die Evakuierung solcher Aussteiger erfordert aber einen entsprechenden Aufwand, der ohne Geld nicht zu bewältigen ist. Seit Ende der Förderung arbeitet „Exit“ ausschließlich ehrenamtlich. Zusammen mit der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung bietet es Veranstaltungsreihen an, außerdem gehört Öffentlichkeitsarbeit zu den Aufgaben der Betreuer.
In neun Jahren wurden mehr als 300 ehemalige Neonazis erfolgreich bei ihrem Ausstieg begleitet. Trotzdem steht das Projekt vor dem Aus: „Was mich am meisten frustriert, ist, dass unsere Förderung nicht etwa aus inhaltlichen, sondern aus haushaltstechnischen Gründen eingestellt wurde. Wir scheitern an Politikern, die meinen, es gebe keinen Grund, ehemalige Neonazis zu unterstützen“, meint Adrian. Bei der derzeitigen Bundesregierung hat „Exit“ als „täterorientiertes Projekt“ ein Imageproblem. Programme, die direkt mit Neonazis arbeiten, um diese in die „demokratische Gesellschaft“ zurückzuholen, gelten als verlorene Liebesmüh‘: Wer einmal antidemokratisch war, für den fühlt sich die Demokratie nicht mehr zuständig. Dass auch Resozialisierungsprogramme die demokratische Kultur stärken, sei zwar bei den Bürgern angekommen, nicht jedoch beim Innenministerium, so Adrian.
Erst im April wird über eine mögliche Neuförderung entschieden. Bis dahin finanziert sich die Organisation aus Spenden. Auf der Homepage richtete „Exit“ sogar eine Paypal-Funktion ein, damit selbst kleinste Beträge anonym gespendet werden können.

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