Im Februar und März schreiben viele Studierende wieder an ihren Hausarbeiten. Das Schreibzentrum möchte all diejenigen unterstützen, die mit sich hadern.
Von Johanna Heym
In einem hellen Raum in der Zwätzengasse besprechen sich die Schreibtutor:innen Frieda Andrees, Björn Karg und Pia Steinbrücker sowie Peter Braun, der Gründer des Schreibzentrums. Neben Kaffee und Gebäck liegen auch Hefte zum wissenschaftlichen Schreiben, Federmappen und Flipchart-Stifte auf einem kleinen Tisch, um den sich das Team dienstags versammelt. Nach der Diskussionrunde mit dem Thema „Argumentieren“ werden am Nachmittag noch Studierende erwartet, die sich zur Sprechstunde angemeldet haben. Sich über den Schreibprozess auszutauschen ist besonders beim Verfassen von Hausarbeiten förderlich, kann jedoch nicht in jedem Seminar gewährleistet werden.
“Wissenschaftliche Köpfe gehen flöten”
Bis jetzt nehmen größtenteils Kultur- und Sozialwissenschaftler:innen das Angebot des Schreibzentrums an, prinzipiell sind aber Studierende jedes Faches willkommen. Fragen zu Formalitäten und Probleme mit der Grammatik waren in den Sprechstunden bisher keine Seltenheit. Darüber hinaus kamen auch schon Zweifel am Hausarbeitsthema bis hin zu generellen Unsicherheiten über den gewählten Studiengang auf.

Nicht nur die altbekannte Motivationslosigkeit, sondern auch eine mangelhafte Kommunikation mit einem Dozierenden oder fehlendes Wissen über die Herangehensweise ans Schreiben verhindern manchmal, dass die Studierenden ihre Ideen wirklich aufs Papier bringen. Frieda unterstreicht, dass dadurch viele „wissenschaftliche Köpfe flöten“ gingen, die eigentlich eine gute Beziehung zu ihrem Fach haben. Besonders die Freude am Schreiben als einem kreativen Prozess komme im Studienalltag oft zu kurz, meint Björn Karg.
Momentan bietet das Schreibzentrum digitale Workshops sowie Beratungen via Zoom an. Auf ein erneutes Treffen der Gruppe „Kaper“, die gemeinsam kreative Texte produziert, sowie die „lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ müssen die Studierenden aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens wohl noch eine Weile warten.
Die Schreibtutor:innen
Die Schreibtutorin Frieda spricht von Leidenschaft, wenn sie an das Schreiben im wissenschaftlichen und kreativen Kontext denkt. Angefangen mit dem Kontrollieren von Diktaten in der zweiten Klasse hatte sie ihre gesamte Schulzeit hindurch wie auch im Germanistikstudium viel Freude am Schreiben. Im Schreibzentrum habe die Beschäftigung mit dem Schreiben dann zusätzlich ein reflexives Niveau bekommen. So konnte sie sich beispielsweise mit Schreibtechniken, kognitiven Fähigkeiten und dem Umgang mit Schreibproblemen auseinandersetzen. Sei es beim Produzieren kreativer Texte in der „Kaper“ oder im Einzelgespräch mit Studierenden – Frieda genießt den Austausch mit anderen Schreibenden und erinnert sich an viele Begegnungen im Schreibzentrum, die sie selbst sehr bereichert haben. Besonderen Reiz habe es, einen Einblick in andere Fachrichtungen zu bekommen und von einer vertrauten Atmosphäre zu profitieren.
Auch Pia kann als jüngstes Mitglied des Schreibzentrums auf viele positive Schreiberfahrungen zurückschauen. So schreibt sie schon sehr lange Tagebuch und begreift das Schreiben als eine Art Selbstausdruck. Weniger im Flow war sie dagegen zunächst beim wissenschaftlichen Schreiben. „Wenn der Knoten dann einmal geplatzt ist, kann ich Hausarbeiten aber auch in drei Tagen runterschreiben.“
Björn, der Dritte in der Runde, meint, dass seine Beziehung zum Schreiben „schon immer komisch“ gewesen sei. Er habe schon zu Schulzeiten viel Lust dazu gehabt und vertiefe sich seit Beginn seines Philosophie-Studiums nun gern in das Schreiben von Hausarbeiten. „Konsequenzloses Quatsch-Labern“ nennt er das schmunzelnd, um sich von Schreibenden abzugrenzen, die sich allzu ernst nehmen. Das Argumentieren im Sinne einer These sehe er als eine Herausforderung an, alle schlüssigen Möglichkeiten auszuloten. Er schreibe dabei nicht für einen Kurs oder einen Dozierenden. Das Schreiben könne im Gegenteil eine Selbstermächtigung bedeuten und dazu dienen, über sich und einen Lebensabschnitt zu reflektieren. Aus diesem Grund würde Björn das Schreiben als Medium, um einfach mal mit sich selbst zu reden, nicht missen wollen.
Raum, Gemeinschaft und Wertschätzung
Peter Braun erklärt, dass ihm das
Schreiben in seiner Lehre immer sehr wichtig gewesen sei. Inspiriert von den vielen Schreibzentren im angloamerikanischen Raum und schließlich auch ersten deutschen Schreibzentren wollte er eine solche Institution auch an der Universität Jena einführen. Besondere Unterstützung erhielt das Jenaer Schreibzentrum dabei ab 2011 vom Schreibzentrum der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. So sei „ein dritter Raum“ entstanden, in dem sich Studierende, fernab von hierarchischen Strukturen, Angst vor kritischem Fachpersonal und dem Druck, alles richtig machen zu müssen, austauschen können. Voraussetzungen für ein erfolgreiches Schreiben seien nach diesem Modell ein passender Ort, eine Gemeinschaft und eine wertschätzende Atmosphäre. Im Vordergrund des Schreibzentrum Jenas stehen Peters Erachtens vor allem die drei Schreibtutor:innen.
Frieda, Pia und Björn wiederum verweisen auf Peters Engagement und sein Vertrauen in ihre vielen Ideen. Eine wertschätzende Atmosphäre ist hier bereits spürbar – die vier Schreibbegeisterten können nicht nur diskutieren und philosophieren, sondern auch herzlich lachen.