Krieg’ ich auf die Fresse?

Das Rätsel der richtigen Konfrontation

Von Christian Fleige

Dieser Tage scheint angesichts der Verbrechen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds, kurz NSU, alles ganz einfach. Ob der unwirklichen Narrenfreiheit, die Täter und Unterstützer genossen, lässt sich nun kinderleicht gegen Dienste und Behörden wettern. Der obligatorische Ruf nach einem NPD-Verbotsverfahren kommt ganz entspannt über die Lippen, ist durch die nun wohl aufgeklärten „Döner-Morde“ wieder en vogue. Das Unwort des Jahres? „Döner-Morde“, logisch. Aber? Nein, zunächst einmal kein Aber.
Mühelos lässt sich herausposaunen, dass die Extremismusklausel ordentlich daneben greift. Dass nicht jeder Antifaschist automatisch ein Krimineller ist. Dass die Zahl der Bundesregierung von 48 Todesopfern durch rechte Gewalt eine Farce ist. Richtig easy haben es auch die Medien. Linker Terror, RAF. Rechter Terror, BAF. Der Spiegel erzählt seinen Lesern lässig die Geschichte von der Böhnhardt-Mundlos-Zschäpe-Bande, der Braunen Armee Fraktion. Es gibt also klare Grenzen, innerhalb derer man sich bequem gegen rechts positionieren kann. Alles scheint in bester Ordnung.
Aber! Im Alltag geht diese Heimeligkeit verschütt. Fragen verdrängen hier die einfachen Aussagen. Sie überfordern, versetzen in Schockstarre: Wie verhalte ich mich, wenn der Hausmeister, den ich spät abends zu Hilfe gerufen habe, ein „T-Hemd“ von Thor Steinar trägt? Ist er überhaupt ein Rechter? Beginne ich eine Diskussion? Auschwitz ist wahr! Nein! Doch! Nein! Sein Unentschieden ist meine Niederlage, die Wahrheit ein Konstrukt.
Klingle ich daraufhin als Geschlagener bei der Hausverwaltung durch und schwärze ihn an? Fordere ich einen neuen Hausmeister mit einer ordentlichen Gesinnung? Geht das überhaupt? Wird der Typ in der Arbeitslosigkeit nicht erst recht extrem? Krieg’ ich auf die Fresse? Was will ich riskieren, was erreichen?
Und da sind ja auch noch die wenigen, aber vorhandenen rechtsradikalen Kommilitoninnen und Kommilitonen in Seminaren und Bibliotheken. Bewerfe ich sie mit Saul Friedländer? Erst fliegt „Die Jahre der Verfolgung“, dann „Die Jahre der Vernichtung“. Ignoriere ich sie, weil sie ignorant sind? Oder baue ich mich vor ihnen auf und krakeele „Nazis raus!“, ohne genau zu wissen, wo dieses ominöse Raus eigentlich liegt und was sie da sollen? Mache ich mich lächerlich? Hilft mir jemand? Gibt es Antworten?
Frank-Walter Steinmeier von der SPD hat sich an einer Antwort versucht und ist auf diese Warnung gekommen: „Nazis haben überall dort eine Chance, wo man sie gewähren lässt.“ Klingt gut, aber was bedeutet „nicht gewähren lassen“? Ist dazu auch ein aussichtsloser Faustkampf in der Goethe-Galerie vonnöten? Ich brauche Antworten, verdammt, keine weiteren Rätsel!

1 Kommentar zu „Krieg’ ich auf die Fresse?“

  1. Hallo zusammen! Ja, genau das ist eine Frage, die unter die -auch Eure- Lupe soll, wo/was dieses “raus” sein soll. Fragt Euch selbst mal provokativ: Nazis raus! Was wollt Ihr, daß denen widerfahre? Rauswurf nach Italien, Spanien, Griechenland, Mali? Angenommen, diese und andere Länder haben auch das Motto “Nazis raus!”, wo sollen die also in letztendlich hin? Außerhalb des Erdenrunds, wäre die Zuendedenkung der undenkbaren Antwort, heiße sie nicht “Tötet sie sofort!” Wäre nicht das die Unmenschlichkeit, die Ihr denen vorwerfen würdet, die Ihr niemals sein wollt(et)? Ist ‘Nazi’ gleich ‘Nazi’? Nein, denn in logischer Konsequenz wäre so jeder, der Nazi ist oder so genannt, ein tatsächlicher Mörder. Und das ist, auch ohne guten (Denk-)Willen, nicht der Fall. “Mache ich mich lächerlich?”, wenn ich wenigstens versuchen würde, mir Gedanken über ein christliches (Menschen-)Bild zu machen, und daran mich zu orientieren, und dieses gegenüber allen -auch Minderheiten, auch Leuten, die ich nicht mag, (somit) auch Nazis- bewußt zu leben? Bevor ich über diesen Gedankengang wettere: Habe ich (jen)es wirklich schon versucht?

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