Tod und Wiedergeburt

Der FH-Stura löste sich auf, um sich zu retten

Von Isabel Schlegel

Auf einmal war der Stura wieder interessant: Natalja Rieck und andere Stura-Mitglieder im Gespräch mit ihren Kommilitonen. Foto: Christoph Worsch

Der Tod enthüllt sein Gesicht: Er lächelt. Zufrieden blinzelt Martin Uebel, Stura-Vorstand im Henkerskostüm, in die Sonne. „Heute ist das erste Mal, dass ich mitbekomme, wie sich Studenten über den Stura unterhalten“, sagt er. Kein Wunder, denn 5000 Flyer, 100 Plakate, ein meterlanges Banner und ein durch alle Hörsäle wandelnder Sensenmann verkünden am 19. Mai: „Der Stura ist tot“. Und jeder Student soll es mitbekommen.
Trotz des großen Aufwandes hat Martin Uebel vor der Aktion befürchtet, „am Ende nur mit zehn Leuten dazustehen“. Tatsächlich haben sich rund 500 auf dem FH-Campus versammelt, um der Trauerrede zu lauschen, eine Schweigeminute einzulegen und darüber zu diskutieren, wie es nun weitergehen soll.

Fragen der Studenten

Natalja Rieck, ebenfalls im Stura-Vorstand, ist erleichtert über die positive Resonanz: „Die zahlreichen, auch kritischen Fragen haben gezeigt, dass den Studenten der Stura doch nicht egal ist“.
Lange habe das anders ausgesehen. Nur vier Kandidaten hatten bis zum regulären Bewerbungsschluss Ende April ihre Unterlagen für die Sturawahl eingereicht. Viel zu wenige. Denn das Gremium sollte aus 17 Mitgliedern bestehen, neun müssen es laut Satzung mindestens sein. Deshalb hatte man die Frist verlängert, neue Plakate und Broschüren in Druck gegeben und ein Tischkickerturnier zur Rettung des Stura veranstaltet. Für Natalja Rieck war die massive Werbung schon Grund genug, „das gesamte Demokratieverständnis an Hochschulen“ in Frage zu stellen – schließlich würden bei Kommunalwahlen ja auch keine Plakate dazu auffordern, sich für den Stadtrat aufzustellen. Das Interesse müsse von den Studenten selbst kommen, sie müssten Lust darauf haben, ihre Ideen im Stura zu verwirklichen.
Doch auch nach Ablauf der zweiten Frist kamen nicht mal neun Bewerber zusammen. Die Wahl wurde abgesagt. Fände die Wahl unter diesen Bedingungen statt, so argumentierte der Wahlausschuss, habe das neu gewählte Gremium keine rechtliche Legitimation und müsse im Falle einer Klage befürchten, dass alle Beschlüsse hinfällig würden. Der Kanzler der Fachhochschule Jena, Dr. Theodor Peschke, ist dagegen überzeugt, die Wahl hätte rechtlich gesehen stattfinden können. Aber hierbei gehe es um mehr als juristische Formalitäten, und so sieht auch Peschke ein, dass „nicht alles, was rechtens ist, richtig sein muss“.
Denn schon das derzeitige Gremium ist an seine personellen Grenzen gestoßen, weil im Laufe des Jahres acht Mitglieder ausgetreten sind. „Wie es jetzt ist, macht es keinen Spaß, es ist einfach viel zu viel Arbeit“, meint Martin Uebel, der nicht nur Vorstand, sondern auch Haushaltsreferent des Sturas ist. Diese Überlastung wollen sie dem neuen Gremium, das von Anfang an mit noch weniger Mitgliedern arbeiten müsste, nicht zumuten. „Wir alle wollen einen aktiven Stura“, fügt er hinzu. Aber der sei mit sieben Mitgliedern einfach nicht realisierbar.

Hilfeschrei und Neuanfang

Foto: Matthias Benkenstein

Deshalb konnte es an diesem sonnigen Dienstag auch keine Wahl geben, sondern nur eine Trauerfeier. Die symbolische Beerdigung der studentischen Interessenvertretung sei ein „Hilfeschrei“, wie Kanzler Peschke es ausdrückt. Laut Natalja Rieck solle die Aktion „zeigen, dass es uns überhaupt noch gibt und was passiert, wenn das alles hier dicht macht“. Ob Sozialberatung, Copyshop, Kastanienhaus oder die Förderung studentischer Projekte – das alles wäre ohne Studierendenrat nicht möglich. Damit jetzt nicht alles völlig den Bach runtergehe, will man im Wintersemester einen neuen Wahlversuch starten. Die Beisetzung des Sturas sollte dafür endlich die nötigen Studenten mobilisieren.
Verrammelt werden die Türen der Studierendenvertretung bis zum nächsten Semester aber nicht, alle laufenden Verträge – zum Beispiel mit der Sozial- und Prüfungsberatung – werden fortgeführt. Neue Beschlüsse können nach dem Austritt dreier weiterer Mitglieder jedoch nicht mehr getroffen werden. Die Reste der studentischen Interessenvertretung sind also völlig handlungsunfähig. Das hat weitreichende Konsequenzen, vor allem für die Fachschaftsräte, die ohne den Stura eigentlich kein Geld mehr ausgeben dürfen. Unklar ist auch die Zukunft des mit mehr als 10.000 Euro verschuldeten Copyshops „Druckpunkt“, der bis auf Weiteres geschlossen wurde.
Trotz allem möchte auch Kanzler Peschke zum Engagement im Stura ermutigen. Eine Hochschule ohne Stura könne er sich nicht vorstellen. Abgesehen von der wichtigen Aufgabe der studentischen Interessenvertretung sei die Arbeit in einem solchen Gremium eine „große Chance zur Persönlichkeitsentwicklung“ und eine Gelegenheit, sich selbst auszuprobieren und viel für den späteren Arbeitsalltag zu lernen – ohne dass Fehler gleich gravierende Auswirkungen für die eigene Zukunft hätten.

Auch mal gammeln dürfen

Doch auch Peschke gibt zu, dass die neuen Bachelor- und Masterstudiengänge „studentisches Engagement nicht begünstigen“. Man müsse während seines Studiums „auch mal gammeln“ dürfen. Doch durch die kürzere Studiendauer und die Fülle an Studieninhalten würden die Freiräume stark eingeschränkt. Das wurde auch bei der Diskussionsrunde im Rahmen der Trauerveranstaltung deutlich: Bei einer Abbrecherquote von 40 Prozent an der FH Jena und überfüllten Stundenplänen haben die meisten Studenten das Gefühl, keine Zeit für ein ehrenamtliches Engagement im Stura zu haben. Aufgeben wollen sie ihn trotzdem nicht. Deshalb kamen viele kreative Vorschläge aus der Studierendenschaft, um die Stura-Arbeit attraktiver zu gestalten, wie zum Beispiel mehr Freiversuche bei Klausuren für Gremienmitglieder oder Creditpoints für studentisches Engagement. Auch Peschke findet solche Ideen gut, man müsse jetzt nur schauen, was sich davon tatsächlich realisieren lasse. Dazu brauche man jedoch „einen aktiven Studierendenrat, mit dem man solche Neuerungen diskutieren kann. Und hier schließt sich der Kreis wieder.“ Ohne Stura keine besseren Bedingungen für die Studenten und ohne bessere Bedingungen kein Stura.

Allgemein

Eine Antwort auf Tod und Wiedergeburt

  • Vor dieser Problematik hatte ich den FH StuRa bereits Ende 2005 gewarnt, aber damals wurde das ignoriert, mit den jetzigen Folgen. Hoffentlich fühlen sich die richtigen Interessenten angesprochen, den StuRa weiterzuführen.

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