Schönheits-OP statt Rettung der Welt

Deadpool“, oder der einzige Superheldenfilm über Sex mit Avocados.

Von Bernadette Mittermeier

Ryan Reynolds Superheldenfilme hatten bis vor kurzem eines gemeinsam: Comicfans versuchten sie zu verdrängen, und wenn doch einmal über „die Filme, die nicht genannt werden dürfen“ gesprochen wurde, dann in Form eines Shitstorms. „Green Lantern“ war einer dieser Filme, für die Awards wie die Goldene Himbeere überhaupt erst erfunden wurden, und an Reynolds Darstellung der beliebten Comicfigur Deadpool in „X-Men Origins: Wolverine“ lässt sich nur loben, dass sie gnädigerweise recht kurz war. Wer auch immer auf die Idee kam, einer Figur mit dem Spitznamen „Merc with a mouth“ nach wenigen Filmminuten den Mund zuzunähen, verdient eine Runde im Boxring mit dem Hulk.

Wie sich nun herausstellte, lag die Schuld aber nicht bei Reynolds. Der hat jahrelang Lobby für einen richtigen Deadpool-Film gemacht. Das Ergebnis ist ein großes Vergnügen für Popkultur-Enthusiasten und für alle, die über Humor lachen können, der ab 18 freigegeben ist und 16-Jährige zur Zielgruppe hat.

Vulgär, Egozentrisch, Hässlich

Ryan Reynolds spielt in „Deadpool“ Wade Wilson, einen Ex-Elitesoldat mit großer Klappe und einem Herz für Underdogs. Als ihm Krebs im Endstadium diagnostiziert wird, unterzieht er sich einem Folter-Experiment, das ihm übermenschliche Regenerationskräfte und Agilität verleiht. Die Nebenwirkung: Sein kompletter Körper ist entstellt, er sieht nun (in den Worten seines Kumpels) aus, als „als habe eine Avocado wütenden Sex mit einer älteren Avocado gehabt“.

So kann er seiner geliebten Verlobten Vanessa (Morena Baccarin) – Traumfrau eines pubertierenden 9gaggers: eine sexy Sexarbeiterin, die Star-Wars-Witze kennt – nicht gegenübertreten. Also zieht sich Wade Wilson ein rotes Antihelden-Kostüm über, nennt sich „Deadpool“ und begibt sich auf die Suche nach seinem Erzfeind Francis (Ed Skrein), der behauptet hat, er könne die misslungene Schönheits-OP rückgängig machen. Deadpool 2

Soweit, so üblich: die typische Handlung eines Superheldenfilmes, inklusive aller Klischees wie dem barbarischen Experiment, einem nerdigen Freund als Sidekick und der Damsel in Distress. Dass sich „Deadpool“ dieser Klischees bedient, ist beabsichtigt: „Deadpool“ will sich über die chorjungenbraven Superheldenfilme lustig machen, die zur Zeit die Kinos mit Sequels und Prequels bombadieren. Die Hauptfigur Wade Wilson ist das Gegenteil eines Superhelden: vulgär, egozentrisch und völlig desinteressiert an der Rettung der Welt.

Es gelingt dem Film hervorragend, bestimmte Handungsmuster bloßzustellen – überwinden kann er sie allerdings selten. „Deadpool“ ist bei weitem nicht so clever, wie seine Macher offensichtlich denken, ein bisschen mutiger hätte er auch gerne sein können. Witze über Analsex gibt es zwar alle paar Minuten, die Bisexualität der Comicfigur auf der Leinwand zu zeigen haben sich die Macher aber nicht getraut.

Trotzdem: Eingeweihte im weitläufigen Universum der Comics und Comicverfilmungen werden an dem Film großen Spaß haben. Wer sie erkennt, kann sich in jeder Sequenz des Films über eine Anspielung freuen. Mal werden Witze über bekannte Figuren wie Wolverine oder Professor X gemacht, mal verspotten sich die Macher selbst, und ab und zu liegt eine bekannte Requisite im Hintergrund, wie zum Beispiel das abgestürzte Tarnschiff aus den „Avengers“ als Kulisse des großen Showdowns.Deadpool 1-1

Keine Politik in Spandex bitte!

Deadpool ist in seinen Comics dafür bekannt geworden, dass er gerne und oft die vierte Wand zerschmettert. Auch im Kinofilm spricht er gelegentlich zum Publikum oder klebt einen Kaugummi an die Kamera. Das ist unterhaltsam und erfrischend in einer Zeit, in der andere Comic-Verfilmungen sich verkrampft um Seriosität bemühen, indem sie Models in hautengen Spandex-Anzügen über Politik und Moral diskutieren lassen. An „Batman vs. Superman“ und „Avengers: Civil War“ konnte man zuletzt sehen, wie langweilig das Ergebnis solcher Bemühungen ist.

Wo Superheldenkino immer politischer wird, feiert „Deadpool“ den Klamauk. Dass dabei einige der Witze nicht der Pubertät entwachsen sind („Der Tag war so vergnüglich wie ein Schmirgelpapierdildo“) – geschenkt! Die meisten Gags haben das Publikum bei der Vorführung gestern in der Kulturarena so zum Lachen gebracht, dass die Leute zu Klatschen anfingen. Und „Deadpool“ vollbringt das Kunststück, noch ein paar wirklich neue Witze über Selbstbefriedigung zu finden, was auch eine Leistung ist.

„Deadpool“ hat viel Lustiges und viel, worüber man sich lustig machen kann – ein Film für Comicliebhaber, die gerne über die Filmwelt der Comics lachen. Ryan Reynolds jedenfalls hat mit „Deadpool“ endlich einen Superheldenfilm geschaffen, über den man mit Begeisterung sprechen kann.

Deadpool“
104 Min.
Regie: Tim Miller
mit Ryan Reynolds, Morena Baccarin, Ed Skrein

Foto: Foxmovies
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