Der Tassenzerstörer

Jeder tut es: Flunkern, Beschönigen – es hat viele Namen, das bewusste Verschweigen von Informationen oder das Darstellen falscher Informationen als richtige. Wäre es da nicht klasse, wenn man die wahren von den gelogenen Aussagen unterscheiden könnte?

Von Annika Nagel und Paula Swade

Jeder lügt gleich unterschiedlich. Gleich im Sinne des universellen Emotionsausdrucks, der unabhängig von Ethnie, Kultur oder Religion ist; das fiel schon Charles Darwin auf und er verfasste daraufhin seine Emotionstheorie. Er war als erster der Meinung, dass Emotionsausdrücke universal seien. Der Emotionsausdruck ist der Hinweis auf ein Gefühl, das wir nicht willentlich zeigen.
Unterschiedlich, weil Menschen verschiedene Anzeichen beim Lügen verwenden.
Da wäre es doch sinnvoll, zu wissen, wann es jemand ehrlich mit uns meint und wann nicht. Seien es unsere Liebsten, die wir fragen, ob sie uns lieben. Freunde, von denen wir eine ehrliche Meinung zu unserem Outfit oder unserer Frisur erwarten. „Wie geht es dir?“ – Auf alltägliche Fragen wünschen wir uns auch eine wahrheitsgemäße Antwort. Noch wichtiger: eine Erklärung, warum die Liebslingstasse nur noch aus Scherben besteht. Lüge3
Für Paul Ekmann ist Lügen eine bewusste Entscheidung. Der US-amerikanischen Psychologe beschäftigte sich mit Gefühlen, Lügen und nonverbaler Kommunikation.
Außerdem hat das Zielobjekt weder darum gebeten belogen zu werden – beispielsweise in einer Arzt-Patient-Beziehung – noch wurde vorher bekannt gegeben, dass gelogen wird, wie es bei Schauspielern der Fall ist. Ekman unterscheidet zudem zwischem dem lediglichen Verheimlichen von Fakten und der bewussten Lüge, bei der wahre Informationen zurückgehalten und falsche präsentiert werden, als seien sie wahr. Lüge1
Egal, ob beim Verheimlichen oder Lügen – wir können unsere Gefühle nicht ausschalten und so machen sie auch die gekonnteste Lüge zunichte. Hat ein Lügner Angst, ertappt zu werden oder Schuldgefühle, zeigt er automatisch Emotionsausdrücke beim Schwindeln: Schwitzen, Erröten, Zittern, Händekneten oder auf der Lippe kauen. Gefühle werden hier zum Verhängnis. Es gibt allerdings kein sicheres Anzeichen für eine Täuschung an sich, nur Hinweise darauf.

Der Lüge auf der Spur

Da die kaputte Lieblingstasse aber nicht mehr aus dem Kopf geht, machen wir uns auf die Jagd nach dem Tassenzerstörer. Woran kann man einen Lügner erkennen? Hat sich etwa ein Mitbewohner verdächtig verhalten?
Erstes Anzeichen: Nervosität! Der Verdächtige zittert, rutscht herum und zwinkert übermäßig. Er schwitzt oder zupft an seiner Kleidung herum und fährt sich durch die Haare – all das können Anzeichen für eine Lüge sein. Ebenfalls verdächtig: Asymmetrie in der Mimik oder eine Diskrepanz zwischen verbalem und non-verbalem Verhalten, sagt der Lügner zum Beispiel „Ja“, schüttelt dabei aber den Kopf.
Wenn sich der Beschuldigte auch noch durch verstärk­tes Verdecken von Mund und Augen, sowie Abwenden des Gesichtes oder Veränderungen in der Stimmlage verdächtig macht, wird der Detektivinstinkt geweckt. Impulsive, emotionale Antworten mit übermäßig vielen Details und Ausweichmanöver geben Anlass zur Annahme, dass man einem Lügner auf der Spur ist. In der Regel schenken Gesprächspartner die meiste Aufmerksamkeit der Sprache und dem Gesichtsausdruck, die zugleich am leichtesten kontrollierbar für den Lügner sind. Das macht es umso schwerer eine Lüge zu entlarven. Stehen sich die Gesprächspartner nah, haben aber Emotionen einen stärkeren Einfluss auf die Glaubwürdigkeit der Lüge.Lüge2
Ein einzelnes Anzeichen ist allerdings noch kein Beweis, sondern erst mit mehreren Indizien kann der Täter der Lüge überführt werden.
Der Lügenforscher Ekman konnte diejenigen Gefühlsregungen beobachten, die auf eine Lüge hinweisen können und entwickelte daraus das Facial-Action-Coding-System. Eine Anleitung zum Lügenerkennen. Dem liegen sieben Basisemotionen zugrunde: Freude, Trauer, Zorn, Überraschung, Ekel, Verachtung und Angst.
Aus ihnen entstehen die sogenannten Mikroausdrücke, rasche Gesichtsaudrücke, die in der Regel nicht kontrollierbar sind. Ein kleines Grinsen nach erfolgreicher Lüge, das Fehlen der Lachfalten beim Lächeln oder für den Bruchteil einer Sekunde die Angst, entdeckt zu werden. Genug Handwerkszeug, um den Lügner zu überführen also. Zurück zur kaputten Tasse: Der Mitbewohner im Kreuzverhör, behauptet mit ungewöhnlich hoher Stimme, er wisse nichts von einer Tasse im Müll? Dann lenkt er ab und wird ganz schön nervös. Händeknetend versucht er der Situation zu entkommen. Keine Chance! Da müssen wir wohl nochmal nachhaken. „Ja, sorry. Ist mir aus Versehen runter gefallen…“ – Ertappt!

Fotos: Bernadette Mittermeier
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