Eine Liebeserklärung an die Zigarette

von Niclas Seydack

Echte Solidarität gibt es nur noch unter Tabakfreunden. Einen Raucher kannst du immer anpumpen. Oder jemals folgenden Satz gehört? „Du, sorry, ich wollte diese Woche echt mal ein bisschen sparsamer mit den Kippen umgehen.“ Nein? Richtig, sagt auch niemand, außer entmenschlichten Turbokapitalisten und Start-Up-Schnöseln. Und die gehören – genau wie militante Nichtraucher – ohnehin kräftig gemittelfingert. Punkt. Vorzug I lautet demnach: Rauchen ist sozial.

Irrtum I: Rauchen ist teuer.
Klar, wer sich täglich eine Schachtel der pseudochicen Prolo-Penner-Marke Benson&Hedges leistet, wird arm. Wer sparen will, dreht. Wer radikal sparen will, stopft. Der Hersteller der Viertelkilo Beutel von Edelmarken wie Route 66, Pontiac oder Turbo werben seit Menschengedenken mit dem inoffiziellen Werbespruch: „Nur schnorren ist billiger.“ Nicht ohne Grund. In einer Zigarette befinden sich etwa 0,5 Gramm Tabak. Eine Monatsration von 500 Zigaretten für 35 Euro – das ist unschlagbar.

Vorzug II: Rauchen ist Kommunikation.
Wohl kaum jemand meistert die angewandte Körperkunst von Mimik und Gestik so virtuos wie der Raucher. Zeigefinger und Mittelfinger spreizen und zum Mund führen – unmissverständliche Geste auf der ganzen Welt. Profitipp nebenbei: Die Frage „Wollen wir noch eine rauchen?“ ist immer eine Aufforderung. Selbst das Herausblasen des Rauches wird zur eigenen Kunstform mit in der Schwierigkeit aufsteigenden Übungen: French inhale, Snap inhale, Rauchringe, Wasserfall, Schnappatmung. Raucher sind kreativ, das beweist allein die vielfältige Bezeichnung einer an sich völlig unspektakulären Tätigkeit: quarzen, paffen, schmöken, im blauen Dunst schweben, rußen, dampfen, eine durchziehen.

Irrtum II: Rauchen ist eklig.
Unsinn. Rauchen veredelt, und zwar nahezu alle Lebensmittel. Außer Speisen. Eigentlich nur Getränke. Eigentlich nur Kaffee und alle Alkoholika. Dem Geschmack fein-gemahlener und aufgebrühter Arabicabohnen (wahlweise auch gehopftes Malzextrakt aus dem mundgeblasenen Glasstiefel) – kombiniert mit einer würzigen Zigarette – möchte man Gedichte widmen, ach was: Sonette oder gleich ganze Zyklen erlesener Lyrik.

Irrtum III: Raucher belasten die Staatskasse.
Dieser Vorwurf diskreditiert sich selbst durch seine bierbauchige Stammtischhaftigkeit. Das  Gegenteil ist der Fall: Der Staat hält ordentlich die Hand auf! Stichwort Tabaksteuer – wird nahezu jährlich erhöht, führt zu minimalen Gemurre seitens der Betroffenen, bewirkt aber maximale Verbrüderung. Raucher werden geschröpft und geschunden, gesellschaftliche Ächtung und Ausgrenzung inklusive. Doch sie halten zusammen.

Irrtum IV: Rauchen ist ungesund.
Hartnäckiger Mythos, schwer auszurotten. Kaum jemand erwähnt jedoch die appetitzügelnde und gleichzeitig verdauungsanregende Wirkung von Nikotin. Womit wir wieder beim Nektar/Ambrosia-Äquivalent Kaffee/Zigarette wären.
Außerdem: Schon mal einen Lungenkranken mit Holzbein gesehen? Wahrscheinlich nicht. Denn das überdurchschnittlich frühe Ableben von überdurchschnittlich vielen Rauchern verhindert die  Wohlstandsverwahrlosung im Alter: Künstliche Marmorhüfte, Goldzähne und hydraulische Krücken – all das braucht der Raucher nicht, der laboriert schließlich bereits ernsthaft an Karzinomen und Neoplasmen. Angeblich.

Denn wie Autor Heinz Strunk einst feststellte: „Diese von der machtvollen, aber skrupellosen Nichtraucherlobby angeforderten Studien sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.“ Mittlerweile will die EU sogar Einheitspackungen für Zigaretten einführen und diese mit Horrorschock-Bildern und -Inschriften versehen. Und das, obwohl nicht ein Fall überliefert ist, in dem ein Raucher es nach dem Lesen einer solchen Warnung sein gelassen hat.

Foto: Christoph Worsch
Allgemein

Eine Antwort auf Eine Liebeserklärung an die Zigarette

  • als Zivildienstleistender hatte ich vertretungsweise eine Patientin, auf deren wöchentlicher Einkaufsliste in der Regel immer aufgeführt wurde: 2 Flasche Sherry, eine Stange Zigaretten. Es war eine sehr liebe, ältere Dame, die die Nachmittage rauchend in ihrer Wohnung verbrachte. Als ich nach Monaten – als Vertretung – zu ihr kam, erzählte sie mir von ihrer bevorstehenden Beinamputation. Wieder Monate später war ich wieder da – das zweite Bein sollte auch amputiert werden.

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