Koffer gepackt und auf nach Jena – aber warum gerade in diese Mini-Großstadt? Neuankömmlinge verraten ihre Gründe.
Text von Switlan Ustinow
Bild von Dario Holz
Nachts am Bahnhof. Eine viel zu schwere Tasche, ein leerer Handyakku und die Luft riecht irgendwie anders. Du bist neu in der Gegend. Ein neues Kapitel deines Lebens hat gerade erst begonnen. Die Bahnhöfe Jenas haben sicherlich tausende Menschen in einem solchen Moment gesehen. Es ist bekannt, dass Jena als Studierendenstadt gilt. Fast ein Viertel der Bevölkerung sind Studierende – sowohl aus Deutschland als auch aus der ganzen Welt. Für die meisten von ihnen bedeutet das Studium hier viel mehr als nur Lernen. Es geht um neue Kontakte, Erinnerungen, Lebenserfahrungen und Hoffnungen.
Mehr als nur Lernen
Wie fühlt es sich an, als Neuankömmling hier zu sein? Um das herauszufinden, habe ich mit Studierenden der FSU Jena gesprochen.
Und wie wirkt die Stadt auf sie? Grün, übersichtlich und sicher. Mit der Zeit schleichen sich dann auch kleinere Unannehmlichkeiten ein – wie die Baustelle am Burgaupark, der sichtbare Alkoholkonsum in Lobeda oder der hohe bürokratische Aufwand in der Ausländerbehörde. Bezüglich der ersten Tage an der Universität – kurz gesagt: „Es gibt einfach zu viel zu tun.” “Es gibt Friedolin 1 und 2 … Gibt’s auch einen dritten?” Für manche ist es das erste Mal in Europa, und das akademische System wirkte verwirrend – von der postalischen Einsendung aller Unterlagen bis hin zum stundenlangen Warten in der Schlange, um den Semesterbeitrag zu bezahlen. Eine der befragten Personen meinte, es wäre sinnvoll gewesen, in der Hochphase mehr Büros einzusetzen, um lange Wartezeiten zu vermeiden. Aber obwohl es einiges zu verbessern gibt, hatten alle Studierenden eine positive Wahrnehmung der Qualität des deutschen Bildungssystems.
Aber Deutschland ist groß. Warum ausgerechnet Jena? Die Vollzeitstudierenden fanden einen bestimmten Kurs besonders interessant. Für Deutsche ist es oft auch praktischer, da sie häufig Bekannte in der Nähe haben. Im Gegensatz dazu ist Jena für Austauschstudierende oft einfach eine der verfügbaren Optionen – manchmal sogar die einzige in Deutschland. Das heißt jedoch nicht unbedingt, dass es eine zufällige Entscheidung war oder dass sie nicht bereit sind, sich – selbst für eine kurze Zeit – zu integrieren. Für viele Studierende spielt Sozialisierung eine große Rolle, aber Austauschstudierende haben es oft schwerer. Laut dem Erasmus Student Network (ESN) fühlen sich nur etwa 18 % der Austauschstudierenden in die lokale Gemeinschaft eingebunden. Interviewte, die nicht fließend Deutsch sprechen, äußerten das Gefühl, nicht dazuzugehören. Weil die Mehrheit der deutschsprachigen Studierenden nur selten ins Englische wechselt und daher weniger in internationale Studierendengruppen eingebunden ist. Einige gaben auch an, dass sie sich mit dem Buddy-Programm unwohl fühlen und sich deshalb nicht dafür angemeldet haben. Manche hatten den Eindruck, dass einige Buddys die Aktivitäten eher für eine akademische Bestätigung machen und nicht aus echtem Interesse an neuen Kontakten. Andere wollten die Buddys nicht zusätzlich belasten, weil sie das Gefühl hatten, ihre eigenen Probleme seien „nicht wichtig genug“. Das brachte mich zum Nachdenken, wie und ob mehr Räume für Austausch und aktive Teilhabe sowohl für lokale als auch für internationale Studierende geschaffen werden könnten.
Die kleinen Dinge
Jemand erwähnte, dass es in seiner früheren Erfahrung in den Wohnheimen wie Lernräume, offene Dachterrassen oder sogar Saunen gab, in denen sich Studierende treffen und Zeit in einer entspannten Atmosphäre miteinander verbringen konnten, abseits von Partys oder Veranstaltungen mit Dutzenden von Menschen. Die soziokulturelle Entwicklung der Stadtteile außerhalb des Zentrums könnte ebenfalls einen Einfluss auf die soziale Integration haben, da die Mehrheit der Studierenden dort wohnt, aber – abgesehen von wenigen Orten – kaum Anlaufstellen zum Treffen oder Verweilen hat.
Es sind die kleinen Dinge, die unser Leben prägen und ich denke, darüber zu sprechen kann helfen, ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, was wir verändern möchten. Und das war nur eine Einführung in diese Diskussion, bei der ich lediglich die Rolle des Übermittlers einnehme.
Dieser Text erschien in der Ausgabe Nr. 453, November 2025

