Frauke Petry und Thomas Kemmerich versuchen, der politischen Irrelevanz zu entfliehen und gründen eine neue Partei – dabei finden sie Parteien eigentlich scheiße.
Text und Fotomontage von Dario Holz
Es begann im Frühjahr, als Frauke Petry nach langer Abstinenz mit „Team Freiheit“ erneut die politische Bühne betrat. Es gehört fast schon zu Petrys DNA, immer wieder neue Sachen anzufangen: 2013 zählte sie zu den ersten Mitgliedern der AfD und bekleidete wichtige Ämter für die Partei, die ihr politisches Profil damals noch fast im Wochentakt änderte. Die inhaltliche Fluktuation wurde auch zu einer personellen und nach vier Jahren war auch für Petry Schluss. Mitten im Wahlkampf 2017 gründete sie ihre eigene Partei, „Die Blauen“ und ließ sich schnell noch ein letztes Mal als AfD-Abgeordnete in den Bundestag wählen, bevor sie bei ihrem Debüt im Plenarsaal erst die Fraktion und dann die AfD verließ. Irgendwie schien sich aber niemand für die Splitterpartei zu interessieren (Wem kann man’s verübeln? Man kommt bei so vielen AfD-Abspalter:innen ja gar nicht mehr hinterher), zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen trat man zwar noch an, stellte aber resigniert nach wenigen Wochen den Wahlkampf ein. Danach wurde die Partei aufgelöst und Frauke Petry zog sich aus der Öffentlichkeit zurück.
Doch jetzt war es mal wieder Zeit für einen Neuanfang und Petry scheint aus alten Fehlern gelernt zu haben: In einem viel zu langen Essay erklärt sie, wie dysfunktional und bürgerfern Parteien doch seien und diese das Vertrauen in die Politik nur weiter mindern würden. Verständlich – wer so desaströs mit der eigenen Partei scheitert, entwickelt Bewältigungsstrategien. Deshalb ist Team Freiheit eben auch keine Partei, sondern ein Team! Trotzdem möchte man gerne in Parlamenten sitzen und Politik machen – nur eben ohne Parteieliten, die um die Macht in den eigenen Reihen kämpfen, sondern mit handverlesenen, unabhängigen Kandidat:innen, die man als Parteilose im Wahlkampf unterstützen möchte. Blöd nur, dass das gar nicht so einfach ist: Auf Landes- und Bundesebene können Parteilose nur als Direktkandidat:innen gewählt werden, brauchen aber schon vor der Wahl mindestens 200 Unterschriften von Wahlberechtigten aus ihrem Wahlkreis. Und wer keine Partei hat, kann auch nicht über die Zweitstimme in Parlamente gewählt werden. Irgendwann scheint Frauke Petry auch mal ins Bundeswahlgesetz geschaut zu haben und sie musste feststellen, dass das schwerer werden könnte als gedacht – so ganz ohne Partei.
Also entschied man sich doch dazu, eine Partei zu gründen. Warum das ausgerechnet in Jena passieren musste, weiß niemand so genau – vielleicht liegt es am neuen Sprecher der Partei. Denn der ist niemand geringeres als 27-Tage-Ministerpräsident Thomas Kemmerich. Dieser kann auf eine mindestens genauso bewegte politische Vergangenheit zurückblicken: Seit 2015 führte er die Thüringer FDP an, ließ sich erst in den Bundestag (2017), dann die Partei in den Landtag (2019), und schließlich sich selbst zum Ministerpräsidenten Thüringens (2020) wählen. Das kam ehrlicherweise überraschend, denn nicht nur FDP und CDU stimmten im entscheidenden Wahlgang für Kemmerich, sondern auch die AfD. Niemand wusste so richtig, was das jetzt zu bedeuten hat – gut war es jedenfalls nicht. Einen knappen Monat Regierungskrise später sah sich Kemmerich gezwungen, sein Amt wieder abzugeben (Welcome back, Bodo) und verkrachte sich im Anschluss noch mit der Bundes-FDP, die in Folge jegliche Unterstützung für ihn und seinen Landesverband einstellte. Trotz alledem (und dem ein oder anderen Ausrutscher bei Corona-Demos) blieb der glatzköpfige Friseurmogul noch lange an der Spitze der Thüringer FDP, bis er im September austrat, um sich vollkommen seinen neuen Aufgaben bei Team/Partei Freiheit zu widmen.
Inhaltlich bewegt sich die Partei genau dort, wo man sich ein Gemisch aus AfD und FDP vorstellt. Man fordert einen freien Markt, die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, Behörden- und Subventionsabbau, das Ende des Sozialstaats und der Migration. So weit, so irrelevant.
Dieser Text erschien in der Ausgabe Nr. 452, November 2025

