Ausländische Studierende sollen hohe Studiengebühren in Thüringen bezahlen. Damit würde der Freistaat seine Attraktivität im Ausland endgültig verlieren.
Text von Dario Holz
Illustration von Rosa Wentsch
Sind wir mal ehrlich – so richtig sexy ist Thüringen nicht. Viel Land, wenig Leute, viel Bratwurst, wenig darüber hinaus. Wer in Youtube-Straßenumfragen der Aufforderung nachkommt, alle deutschen Bundesländer aufzuzählen, der vergisst Thüringen oft. Das wundert nicht, denn abseits von politischen Skandalen fallen wir nur selten auf. Der letzte Grund, warum der Freistaat noch nicht ganz in der Bedeutungslosigkeit versunken ist, sind die Universitäten. Und Clueso vielleicht.
Über Jena wissen viele, dass man hier wohl studieren könne, manche machen es sogar. Die TU Ilmenau erfreut sich international eines guten Rufes und in Erfurt kann man auch studieren, oder? Ich meine, da mal was gehört zu haben. Für die meisten ist das Studium der erste Kontakt mit Thüringen, für viele auch der letzte. Aber immerhin. Und manche bleiben tatsächlich nach dem Studium hier und verzögern das Aussterben Thüringens wenigstens ein bisschen.
Das soll sich aber ändern, findet zumindest die IHK Südthüringen. Die findet es furchtbar ungerecht, dass ausländische Studierende in Thüringen kostengünstig studieren, dann aber zwischen Einöde und Ausländerhass keine Gründe finden, hier wohnen zu bleiben. Wie können sie nur. Dadurch drohe eine Finanzierungslücke, wenn immer mehr Menschen in Thüringen studieren, die dann durch einen Wegzug hier keine Steuern mehr bezahlen, warnt die IHK. Das Probleme werde größer, da auch die Zahl an ausländischen Studierenden in Thüringen seit Jahren steigt.
Ein schlechter Ruf
Das ist nur halb-richtig: Es werden nicht mehr ausländische Studierende, sondern einfach weniger Deutsche. Es verändert sich also nur das Verhältnis, nicht die absolute Menge an ausländischen Studierenden. Vor zehn Jahren lag der Ausländeranteil der eingeschriebenen Studierenden bei ca. 13 %, im letzten Jahr bei über 20 %. An der TU Ilmenau sind die Hälfte aller Studierenden aus dem Ausland. Vielleicht ein Zeichen dafür, dass der schlechte Ruf Thüringens zumindest international noch nicht ganz durchgedrungen ist.
Die Finanzierungslücke tritt natürlich nicht nur bei Ausländern auf: auch der Schwabe oder die Friesländerin, die nach dem Studium in Thüringen das Bundesland wieder verlassen, kosten Geld. Es gibt auch keine Zahlen, die nahelegen, dass internationale Studierende häufiger Thüringen verlassen würden als Deutsche. Warum sich die IHK Südthüringen so auf Ausländer fokussiert, folgt keiner Logik. Vielleicht haben sie auch nur den Vorschlag der AfD übernommen: die fordern schon seit vielen Jahren Studiengebühren für Ausländer.
Der Vorschlag wird von vielen Kritsch gesehen: Die Jusos Jena erklären, Studiengebühren seien sozial ungerecht und wirtschaftlich kontraproduktiv. Besonders in einer Zeit, in der viele Studierende unter finanziellen Problemen leidet – „Ausgerechnet in dieser Situation fordert die IHK noch extra Eintrittsgeld für Bildung – das ist zynisch und weltfremd.“, so Marcus Hansen von der Hochschulgruppe der Jusos. Auch die Fraktion der Linke teilt diese Meinung.
Einfach Quatsch
Anders sieht das die Journalistin Sibylle Göbel (Thüringer Allgemeine). Sie erklärt, dass hohe Studiengebühren für Ausländer in den USA und England normal seien und die Nachfrage nach Studienplätzen dort dennoch nicht abnimmt. Nun ja. Ob sich Oxford und Harvard mit Schmalkalden und Nordhausen vergleichen lassen, muss jeder selbst entscheiden. Aber auch in Baden-Württemberg gibt es seit Jahren hohe Studiengebühren für Ausländer. Nur arbeitet man dort gerade daran, sie wieder abzuschaffen. Weite Teile der Politik und Wirtschaft sorgen sich um die wissenschaftliche Konkurrenzfähigkeit des Bundeslandes, sollten die Zahlen ausländischer Studierender nicht wieder steigen. Außerdem legt eine Studie nah, dass es nur wenige Jahre dauert, bis sich die Ausbildung auf Staatskosten amortisiert hat.
Die Angst vor den teuren Ausländern ist unbegründet, der Vorschlag der IHK Südthüringen unsinnig. Internationale Studierende sind für Thüringen immens wichtig – das haben glücklicherweise auch alle erkannt, die nicht mit verschleierten Rassismus argumentieren.
Dieser Text erschien in der Ausgabe Nr. 451, Oktober 2025