Fragwürdig finanziert, fragwürdig untergebracht: der neue Abschiebeknast in Arnstadt.
Text und Illustration von Paula Hannecke
Endlich keine Miete mehr bezahlen, sondern Eigentum. Für das Land Thüringen geht dieser Traum in Erfüllung, zumindest bei den Mietkosten für Plätze in Abschiebehaftanstalten. Anfang Juli wurden auf dem Gelände der Justizvollzuganstalt Arnstadt, unweit von Erfurt, zehn landeseigene Plätze für Abschiebehaft geschaffen. Eine zukünftige Erweiterung auf 37 Plätze ist in Planung. Thüringen verfügte bislang nicht über eigene Haftplätze dieser Art, sondern nahm angemietete Plätze in Rheinland-Pfalz in Anspruch. Nun wurde der im Koalitionsvertrag vereinbarten Forderung, eigene Abschiebehaftplätze zu schaffen, nachgekommen. Alles festgehalten unter dem Punkt „Landesausländerbehörde für Migration – Ordnung & Effizienz sicherstellen.“
An der Kritik vorbeifinanziert
Finanziert sind die Plätze durch eine Globale Mehrausgabe des Ministeriums für Justiz und Migration in Höhe von 2,8 Millionen Euro. Das Vorhaben musste auf diesem Weg finanziell eingeleitet werden, weil die Linke im Vorhinein ausschloss, einer im Koalitionsplan vorgesehenen Finanzierung zuzustimmen. Globale Mehrausgaben sind nicht zweckgebundene und pauschal berechnete finanzielle Mittel eines Haushaltsplanes. Sie sind befreit vom Einzelveranschlagungsprinzip und müssen daher nicht einzeln und nach jeweiligem Zweck separiert angegeben werden.
Für die kommenden Jahre werden die laufenden Kosten der Plätze auf rund 3,4 Millionen Euro jährlich berechnet und übersteigen damit deutlich die bislang laufenden Kosten für die in Rheinland-Pfalz angemieteten Plätze. Zwar liegen die Kosten damit immer noch unter den 300 Millionen Euro, die die Landesregierung NRW im Ergänzungsvorschlag zum Haushaltsentwurf 2025 für eine zukünftige Hafteinrichtung vorsah, entziehen sich aber weiterhin jeglicher Verhältnismäßigkeit darüber, was die Mittel zu Integration und Teilhabe geflüchteter Menschen beitragen könnten.
An Vorgaben vorbeigebaut
Der Europäische Gerichtshof und der Bundesgerichtshof geben im Trennungsgebot vor, dass Personen in Abschiebehaft nicht in einer Gefängnis-ähnlichen Umgebung inhaftiert werden dürfen. Auch das Personal einer solchen Einrichtung sollte über spezifische Qualifikationen verfügen. Ob diese Anforderungen eingehalten werden können, wenn in Thüringen in kürzester Zeit Teile einer Haftanstalt umfunktioniert werden, bleibt fraglich.
Weil Prozesse, Haftbedingungen und Insassen innerhalb von Abschiebeeinrichtungen oftmals unter dem Radar der Öffentlichkeit und damit auch schwer zugänglich für rechtliche Beobachtungen laufen, ist die Überprüfbarkeit erschwert.
Zudem sind laut dem Bundesfachverband zur Unterstützung von Menschen in Abschiebehaft neben den Haftbedingungen auch die Inhaftierungen an sich oftmals unrechtmäßig. Der Flüchtlingsrat Thüringen weist ebenfalls auf seiner Webseite darauf hin, dass über die Hälfte aller Abschiebehaftanordnungen rechtswidrig seien. Hinzu kommt, dass diese Form der Inhaftierung dem Beschleunigungsgrundsatz unterliegt, demzufolge die Inhaftierungen so kurz wie möglich zu halten sind. So kam es in der Vergangenheit häufig dazu, dass die Unrechtmäßigkeit der Haft erst nach der Abschiebung festgestellt wurde.
Gibt es Bedarf?
Ob in Thüringen überhaupt Bedarf an eigenen Abschiebehaftplätzen besteht, ist unklar, dem Flüchtlingsrat Thüringen ist nicht bekannt, ob es in der Vergangenheit Schwierigkeiten gab, einer richterlichen Anordnung zu Abschiebehaft aufgrund fehlender Haftplätze nachzukommen. Neben Maßnahmen wie der Bezahlkarte stellt also die scheinbare Effizienzsteigerung von Abschiebungen, die eigentlich genau das Gegenteil ist, nämlich rechtlich, bürokratisch und finanziell aufwändig, nur eine weitere migrationsfeindliche Abschreckungsmaßnahme dar.
Bedarf an Solidaritätsbekundungen und rechtlichem Beistand besteht im Kontext von Abschiebungen schon lange. Allerspätestens jetzt gibt es aber kein Wegschauen mehr. Handlungsspielraum in möglichem Support von von Abschiebehaft Betroffenen liegt unter anderem darin, Insassen zu besuchen, Kontakt zu halten, sowie Betroffene über Rechte zu informieren. Abschiebeblockaden gelten außerdem als mögliche Praxis, um Abschiebungen zu verhindern. Unter anderen organisierten die Seebrücken Jena und Erfurt bereits am 05. Juli Gegenproteste in Arnstadt für Bewegungsfreiheit, Bleiberecht und für ein selbstbestimmtes Leben für alle mit der Forderung, den Abschiebeknast in Arnstadt nicht in Betrieb zu nehmen sowie jegliche Abschiebeknäste zu schließen.
Dieser Text erschien in der Ausgabe Nr. 451, Oktober 2025