Wie hältst du’s mit dem Klima

Trotz des fortschreitenden Klimawandels gehen weniger Leute für das Klima auf die Straße. Doch Fridays for Future Jena gibt nicht auf.

Text von Antonia Braun
Fotos von Dario Holz

„Das Wichtigste ist, dass wir weitermachen“, ruft ein Redner auf der Fridays for Future Demo am Holzmarkt ins Mikro. Als er fortfahren will, wird er von Fußballfans übertönt, die grölend vorbeiziehen. Die Gruppe Demonstrierender wirkt kurz verunsichert. Anlässlich der Weltklimakonferenz COP30 in Belém haben sie sich am 14. November versammelt. Die Klimabewegung mobilisierte nach eigenen Angaben deutschlandweit 10.000 Menschen. Jena war einer von 77 Demostandorten in Deutschland. Sonst gingen in Thüringen nur noch in Meiningen Menschen auf die Straße. Robert Pauli hat die Demonstration mitorganisiert. Er spricht von 400 Teilnehmenden, was die Fridays for Future Aktion zur größten in Jena seit zwei Jahren macht. Die Massen, die zu Hochzeiten der Bewegung freitags für das Klima streikten, sind längst verschwunden. 

Wo sind die Leute hin?

Auf die Frage fallen Robert “eher zwanzig als eine Antwort ein”. Das Abschwächen von ökologischen und sozialen Bewegungen nach einigen Jahren sei eine natürliche Entwicklung. Zum dritten globalen Klimastreik im September 2019 fanden sich 3.500 Menschen in der Jenaer Innenstadt zusammen. Bis Anfang 2020 sei es bergauf gegangen, erzählt Robert, dann wurde es für motivierte Aktivist:innen aufgrund der Coronaeinschränkungen schwieriger. Versammlungsverbot, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen nahmen der Bewegung den Wind aus den Segeln. Beendete allein die Pandemie den Hype um Fridays for Future? Häufig wird von Krisenmüdigkeit gesprochen, um das gesunkene Interesse zu erklären. Denn als Versammlungen wieder erlaubt wurden, traten andere Krisen  in den Vordergrund. Die militärischen Konflikte bieten scheinbar klare Kategorien: Sieg oder Niederlage, Krieg oder Frieden. Die Klimabewegung hingegen habe kein griffiges Ziel, so Robert. „Wir kämpfen gerade darum, dass es weniger schlimm wird“ und das sei motivationspsychologisch nicht ideal. Wenn der eigene politische Kampf für sichtbare Veränderung nicht ausreiche, wirke das sehr frustrierend. 

Radikaler wird’s nicht

Eine neue Klimabewegung formierte sich, die zu radikaleren Methoden griff. Die Aktivist:innen der Letzten Generation protestierten ab 2022 gegen die aktuelle Klimapolitik mit zivilem Ungehorsam. Auf Straßen festgeklebte Aktivist:innen erhitzten die Gemüter der Zivilbevölkerung. Auch in Jena kam es mehrfach zu Sitzblockaden. Robert betrachtet die Bewegung als Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung der Klimabewegung. „Da ist bei Leuten was übergeschnappt. Das ist ein Symptom der Zeit und der verrohten Diskurse auf Social Media gewesen.“ Ende letzten Jahres entschließt sich die Letzte Generation neuen Strategien und nennt sich fortan passend Neue Generation

Wo viele von Resignation sprechen, sieht Robert auch Potential. Trotz vielen Zweifeln und geschrumpften Strukturen in der Jenaer Orga gäbe es auch viele Menschen, welche die Bewegung gerade jetzt als relevant sehen. Vielleicht sei Fridays for Future heute sogar wichtiger als vor sechs Jahren. Robert hofft jedenfalls auf eine breite gesellschaftliche Basis, die den Klimawandel als reale Bedrohung erkennt. Wenn die Auswirkungen des Klimawandels in den kommenden Jahren noch sichtbarer werden, sei die Krise, auf die „die Rechten keine Antwort“ haben, immer schwerer zu verdrängen. Mehr würden merken, „vielleicht braucht’s auch mich“. 


Neue Menschen bringen neue Möglichkeiten. Die klassische Demonstration jeden Freitag mag ausgedient haben. Bei der geringen Menge an Teilnehmenden und Organisator:innen ist die Idee vom wöchentlichen Klimastreik zudem illusorisch. Viele Schüler:innen, die die Bewegung in ihrer Anfangsphase trugen, sind nicht mehr da. Die Ortsgruppe Jena arbeitet heute mit den Parents und Scientists for Future zusammen und ist mit dem Runden Tisch Klima und Umwelt vernetzt. Dieser kann über den Beirat für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung sogar Anträge in den Stadtrat einbringen. Auch viele Ältere, die sich schon in der Umweltbewegung der 1980er Jahre engagiert haben, sind mittlerweile bei Fridays for Future aktiv. Nicht nur die Altersstruktur hat sich geändert, sondern die Bewegung selbst braucht und will Wandel. Robert prognostiziert  eine Verlagerung in den Globalen Süden, wo die Auswirkungen des Klimawandels am stärksten zu spüren sind. 

Fridays for Future bleibt in Jena sichtbar, wenn auch in geschrumpfter Form. Es liegt an der Bevölkerung, einen Umgang mit der Bewegung zu finden. Denn der Klimawandel kommt so oder so.

Dieser Text erschien in der Ausgabe Nr. 453, November 2025


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