Ein Artikel des rechtsalternativen Mediums Apollo News erhebt den Vorwurf, die AfD greift ihn auf: Jena soll linksextreme Strukturen finanzieren. Ein Lehrstück politischer Inszenierung.
Text von Lorenz Neumann
Foto von Tim Baumberg
Es klingt nach einem politischen Skandal. Am 02. Oktober veröffentlichte das Onlinemedium Apollo News einen Artikel, in dem der Stadt Jena vorgeworfen wird, mit öffentlichen Mitteln linksextreme Strukturen zu unterstützen. „Linke Gewalt gegen politische Gegner“ werde in der Stadt nicht nur geduldet, sondern sogar „mit Steuergeld aus der Stadtkasse unterstützt“, heißt es darin.
Konkret geht es um den Infoladen im Grünen Haus, der ein “wichtiger Treffpunkt der linksextremistischen Antifa-Szene” sei. Nach Darstellung des Portals werde der Infoladen von der Jugend-, Aktions- und Projektwerkstatt Jena (JAPS) betrieben, die wiederum im Rahmen des Jugendförderplans finanzielle Unterstützung von der Stadt erhalte. Aus dieser Förderstruktur konstruiert Apollo den Vorwurf, die Stadt finanziere indirekt eine „linksextremistische Anlaufstelle“.
AfD übernimmt Darstellung
Diese im Artikel eher grob gemachte Herleitung bleibt nicht folgenlos: Am 14. Oktober greift die AfD im Jenaer Stadtrat die Darstellung von Apollo in einer kleinen Anfrage an den Oberbürgermeister auf. Die „Recherche“ werfe, heißt es darin, „schwerwiegende Fragen zur Förderung linksextremistischer Strukturen“ auf. Die Fraktion will wissen, welche Mittel an JAPS zur Förderung des Infoladens geflossen sind, ob die Verwaltung über die Nutzung durch “linksextreme Gruppen” informiert war und ob die Förderung bei nachweisbaren Verbindungen eingestellt werde.
Bei Apollo News handelt es sich keinesfalls um ein seriöses Nachrichtenmedium. Von der Leipziger Journalistik-Professorin Gabriele Hooffacker wird es als “rechtes Boulevardmedium” eingeordnet, das Informationen verzerrt wiedergebe und emotional auflade. Übermedien, ein Portal für Medienkritik, bezeichnet Apollo News als “rechtes Alternativmedium”, dessen Inhalte zwar nicht per se als falsch eingestuft werden sollten, die man aber unbedingt kritisch prüfen sollte.
Überraschend, dass die AfD diese Position einfach so übernimmt, ist es aber nicht – im Gegenteil, Apollo-News-Skandale schaffen es längst regelmäßig in die Politik. So begann nach Analysen des politischen Thinktanks Polisphere etwa die gescheiterte Wahl der Jura-Professorin Brosius-Gersdorf mit einem Artikel bei Apollo News am 1. Juli, der ältere Zitate der Juristin zu drei rechten Reizthemen listete: ein mögliches AfD-Verbot, die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und Gendern.
Keine Förderung für den Infoladen
Die kleine Anfrage der AfD beantwortet Johannes Schleußner, Dezernent für Bildung, Jugend, Kultur und Sport (SPD). Er geht ausführlich auf gesetzliche Grundlagen ein, erklärt, wie der Jugendförderplan finanziert wird, wer gefördert wird und wie Förderanträge geprüft werden.
Konkret gefördert werde der Demokratische Jugendring e.V. (DJR), der als Dachverband 22 Mitgliedsverbände verwaltet und die Fördermittel entsprechend weitergibt. „Unter den Mitgliedsverbänden befindet sich auch die JAPS“, stellt er fest. „Falsch sind jedoch die in der Fragestellung abgeleiteten Schlussfolgerungen.“ Weder an den DJR noch an die JAPS seien jemals Mittel für den Betrieb eines Infoladens gezahlt worden. Die weiteren Fragen erübrigten sich somit.
Solche vermeintlich harmlosen Kleinen Anfragen der AfD sind kein Zufall, sondern folgen einer Strategie. Auf Bundesebene stellt die Partei seit Jahren mit Abstand die meisten Anfragen; in der letzten Wahlperiode waren es mit 2.013 Anfragen – doppelt so viele wie von CDU und deutlich mehr als andere Oppositionsfraktionen. Studien, etwa vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft oder der Amadeu Antonio Stiftung ergeben: Die AfD nutzt das Instrument, um zivilgesellschaftliche Akteure unter Druck zu setzen. Dafür werden Projekte oft in die Nähe von Linksextremismus gerückt oder ihnen Steuergeldverschwendung vorgeworfen. Im Fall Jena tut die AfD gleich beides, ohne dass dabei etwas herauskommt. Fraglich ist nur, ob das eine Rolle spielt. Längst schon schreibt Apollo von neuen Skandalen. Die nächste Empörung, die nächste Kleine Anfrage ist damit vorprogrammiert.
Dieser Text erschien in der Ausgabe Nr. 453, November 2025

