Die Uni Jena möchte im Wintersemester 2026/27 eine neue Rahmenprüfungsordnung einführen, die bisher unterschiedliche Prüfungsordnungen vereinheitlicht. Neben prüfungsrechtlichen Entlastungen sieht die neue Studienordnung eine Maximalstudiendauer vor, die nicht nur chronisch kranke Studierende vor Herausforderungen stellt.
Text von Lucy Tusche und Lorenz Neumann
Fotos von Dario Holz
Deine Immatrikulationsbescheinigung zählt bereits das 15. Bachelorsemester? Dann raus aus der Mensa und rein in den Hörsaal, denn die Uni Jena möchte in Zukunft härter gegen Langzeitstudierende vorgehen. Ab dem Wintersemester 2026/27 soll eine Maximalstudiendauer für Bachelor- und Masterstudiengänge eingeführt werden. Wer im Bachelor mehr als vier Semester und im Master mehr als drei Semester über der Regelstudienzeit liegt, dem droht die Exmatrikulation. Eine Ausnahme stellt die Härtefallregelung dar, die bei unverschuldeter Verlängerung der Studienzeit in Kraft tritt. Für Studierende, die im Wintersemester 2026/27 bereits immatrikuliert sind, soll es laut dem Vizepräsidium für Studium und Lehre “großzügige Übergangsregelungen” geben.
In einigen Prüfungsordnungen an der Uni Jena ist bereits eine maximale Studienzeit festgeschrieben. Um diese und andere Regelungen zu vereinheitlichen, möchte die Uni eine einheitliche Rahmenprüfungsordnung für alle Studiengänge einführen. Sie soll auch eine Reihe an prüfungsrechtlichen Erleichterungen enthalten. Die neue Rahmenprüfungsordnung wird seit 2024 durch das Vizepräsidium für Studium und Lehre und unter Mitarbeit von Studierendenvertreter:innen im Studienausschuss des Senats erarbeitet. Ziel der neuen Regelung sei es, den Leistungsdruck für Studierende zu senken, so das Vizepräsidium.
Mehr Wahlmöglichkeiten und Prüfungsversuche
Studierende sollen künftig drei reguläre Prüfungsversuche erhalten und sich bis eine Woche vor dem Prüfungstermin abmelden dürfen. Außerdem soll die Wahl zwischen dem ersten oder zweiten Prüfungstermin im Semester offenstehen und auch bei Nichtbestehen werden Studierende nicht verpflichtet, sich im nächsten Prüfungszyklus wieder anzumelden.
Die im Vergleich zu anderen Universitäten strengen Regeln der Uni Jena werden damit verbessert, um den Druck im Studium zu senken. Was allerdings keinesfalls zu Entlastung führt, ist die angedrohte Maximalstudienzeit im § 17 der neuen Rahmenprüfungsordnung.
Die AG-Nachteilsausgleich des Stura, die sich für beeinträchtigte Studierende einsetzt, bezeichnet diese als „katastrophal für Studierende mit chronischen, körperlichen oder psychischen Erkrankungen oder Behinderungen”. Die Maximalstudiendauer würde dazu führen, dass chronisch kranke Studierende ein Studium gar nicht erst beginnen oder abbrechen.
Härtefallregelungen schaffen keine Chancengleichheit
Um die Chancengleichheit in der Bildung so gut wie möglich herzustellen, verweist das Präsidium für Studium und Lehre auf die Möglichkeit eines Härtefallantrages. Studierende, die durch chronische Erkrankungen, Care-Arbeit oder andere Einschränkungen unverschuldet länger studieren müssen, können eine individuelle Verlängerung ihrer Studienzeit beantragen.
Ein Blick in die Lebensrealitäten benachteiligter Studierender zeigt, dass Härtefallregelungen kein ausreichendes Korrektiv sind. Laut der AG-Nachteilsausgleich stellen Härtefallanträge eine bürokratische Zusatzbelastung für betroffene Studierende dar, deren Ressourcen sowieso begrenzt sind.
Wer einen Härtefallantrag stellt, muss oft intime Details gegenüber der Uni offenlegen. Die Hemmschwelle dafür ist groß.

Studierende geraten in eine Bittstellerposition, in der sie beweisen müssen, dass sie krank genug sind. Die eigene berufliche Zukunft liegt in den Händen des Prüfungsausschusses. Härtefallregelungen sind Einzelfallregelungen. Es gibt keinen Kriterienkatalog, anhand dessen über die Bewilligung eines Antrages bestimmt wird. Der Prozess ist intransparent und verstärkt die Hilflosigkeit chronisch kranker Menschen.
Kranke Studierende sind keine Ausnahme. Laut einer Befragung des studentischen Gesundheitsmanagements der Uni Jena gaben letztes Jahr 20,5 Prozent der Studierenden eine diagnostizierte psychische Erkrankung an. Das sind alarmierende Daten, die nach einer strukturellen Lösung verlangen. Statt lange Studienzeiten mit der Drohkulisse einer Maximalstudienzeit zu begrenzen, sollte die Uni einen Blick auf die Ursachen werfen. Mehr Beratungsangebote für chronisch kranke, finanziell benachteiligte oder mehrfach belastete Studierende wären ein Anfang.
Wer krank genug ist, um als Härtefall zu zählen, muss zwar bangen und viel Bürokratiearbeit leisten, kann im Endeffekt seine Studienzeit aber verlängern. Doch was ist mit Studierenden, die durch Care-Arbeit, finanzielle Probleme oder ehrenamtliches Engagement länger studieren? Laut dem Vizepräsidium für Studium und Lehre sei es in diesen Fällen ebenfalls möglich, finanzielle und soziale Härtefallumstände zu berücksichtigen, solange anhand der Leistung des Studierenden sichtbar wird, dass trotz der widrigen Umstände das Studium zeitnah abgeschlossen werden kann. Wie diese Leistung ausgeprägt sein soll, bleibt offen, ebenso, was der Prüfungsausschuss letztlich als Härtefall definiert.
Ehrenamtliches Engagement wird bestraft
Über eine Verlängerung der Maximalstudienzeit, die durch die Arbeit in universitären Gremien entsteht, wird noch abgestimmt. Studierende, die sich außerhalb der Gremienarbeit engagieren und zum Beispiel politisch aktiv sind, dürfen wohl – über die Kulanzsemester hinaus – keine Verlängerung erwarten. Diese Zusatzbelastung ist in der Logik der Härtefallregelungen schließlich selbst verschuldet. Mit der Maximalstudiendauer bestraft die Uni ehrenamtliches Engagement und nimmt Studierenden die Möglichkeit, das zu erleben, was das Studium so wertvoll macht: Die Zeit zu haben, auch mal in anderen als den eigenen Vorlesungen zu sitzen, sich gesellschaftlich engagieren und sich gegen politische Missstände aufzulehnen. Dass Studierende die Regelstudienzeit nicht ohne Grund überschreiten, zeigt auch eine Untersuchung von Wissenschaftler:innen der Universität Heidelberg. Viele Studierende würden ihr Studium bewusst ausdehnen, um “über die Prüfungsordnung hinausgehende Bildung” zu erwerben. Längere Studienzeiten würden für diese Gruppe an Studierenden durch Engagement, Praktika, Auslandsaufenthalte oder ehrenamtliche Arbeit entstehen. Eine Entscheidung, von der nicht nur die Studierenden selbst, sondern auch die Gesellschaft profitiert.
Vier Extrasemester im Bachelor und drei im Master reichen dafür nicht aus. Denn oft führt das Zusammenspiel mehrerer Faktoren zu einer längeren Studienzeit. Wer neben dem Studium arbeiten muss, auch ohne finanziell existenziell bedroht zu sein, sich zusätzlich politisch engagiert und dann noch unerwartet krank wird, erreicht schnell die Maximalstudienzeit, ohne dass die einzelnen Punkte einen Härtefall darstellen.
Heftige Kritik vom Stura
Öffentliche Kritik am § 17 kommt inzwischen auch von Vertreter:innen der Hochschulpolitik. In einer Stellungnahme auf Instagram spricht sich der Studierendenrat deutlich gegen die Einführung einer Maximalstudienzeit aus und kritisiert die dadurch weiter verstärkte Chancenungleichheit.
Aus Sicht der Universität kam diese Kritik überraschend. Der Entwurf der neuen Rahmenprüfungsordnung samt des strittigen §17 sei das Ergebnis intensiver Arbeit des erweiterten Studierendenausschusses, bei der – von Anfang an – viel auf studentische Beteiligung geachtet wurde. Die drei bestellten studentischen Vertreter:innen im Ausschuss selbst hätten den jeweiligen Beschlüssen einstimmig zugestimmt. Darüber hinaus seien relevante Informationen an andere Studierendenvertreter:innen, inklusive des Sturas, weitergeleitet worden. Es habe also ausreichend Beteiligung und Transparenz gegeben.
Versäumnisse im Stura
Warum also reagierte der Stura erst mehrere Monate nachdem die ersten Entwürfe bekannt wurden? Auf Nachfrage räumt man ein, dass der Paragraf in der internen Kommunikation schlicht untergegangen sei. Zwischen Ausschüssen, Protokollen und Sitzungen habe das Thema bis zum Zeitpunkt der Stellungnahme nie die nötige Aufmerksamkeit erhalten.
Dass der Stura so spät reagiert, kann und sollte man kritisieren – und zugleich nicht vergessen, dass all dies im Ehrenamt geschieht. Begrenzte Zeit und ständige Wechsel sind die Realität hochschulpolitischer Arbeit. Im Stura möchte man daraus lernen, inhaltlich aber bleibt man bei seiner Position: „Wir sind zu spät aktiv geworden, aber wir werden auf jeden Fall aktiv bleiben.” Zu spät ist es ohnehin nicht – die neue Ordnung ist ja noch nicht beschlossen.
Studierende müssen begrenzt werden
Warum braucht es überhaupt eine Begrenzung der Studienzeit?
Aus der Sicht des Vizepräsidiums für Studium und Lehre ist die Einführung des §17 vor allem eine notwendige Ergänzung anderer Reformen. Mit der neuen Rahmenprüfungsordnung wolle man Studierenden mehr Gestaltungsspielraum und Eigenverantwortlichkeit geben und gleichzeitig den Leistungs- und Prüfungsdruck abbauen. Eine zeitliche Begrenzung des Studiums sei deshalb “unbedingt erforderlich”, quasi als Gegengewicht zu diesen neuen Freiheiten.
Ganz ohne Grenzen, so die Argumentation, gehe es nicht. Die Frage, wie lange jemand studieren sollte, sei eben nicht nur eine individuelle, sondern auch eine bildungspolitische und strukturelle. Eine Universität müsse effizient mit ihren Mitteln umgehen. “Wenn sehr viele Studierende deutlich länger studieren, blockiert das Kapazitäten.” Auch Planbarkeit spiele eine Rolle: Nur wer wisse, wie viele Studierende wie lange im System bleiben, könne Ressourcen sinnvoll verteilen.
Das Narrativ des faulen Langzeitstudierenden
Der Argumentationsfolge des Vizepräsidums zugrunde liegt die Befürchtung, dass Studierende, wenn es ihnen denn nur möglich wäre, künftig länger studieren könnten – einfach weil es geht und weil es bequem ist. Ob das auch wirklich so ist, das ist fraglich.
Gleichzeitig bedient diese Vorstellung ein vertrautes Narrativ: Der bequeme Langzeitstudierende, der dem Staat auf der Tasche liegt und mehr in Cafés herumlungert, als Zeit im Hörsaal zu verbringen. Sicher trifft das Bild auf den ein oder anderen zu. In den meisten Fällen sind die Ursachen aber deutlich komplexer.
Ein Blick auf andere Universitäten zeigt außerdem: Nicht überall wird auf starre Grenzen gesetzt. Berliner Universitäten kennen keine Regelung zur Maximalstudienzeit. Andere Unis – wie Potsdam oder Greifswald – gehen einen Mittelweg: Wer die doppelte Regelstudienzeit überschreitet, wird dort verpflichtend zur Studienberatung eingeladen, um gemeinsam einen verbindlichen Studienplan zu entwickeln. Erst wenn dieser nicht eingehalten wird, droht die Exmatrikulation. Diese Beispiele machen klar, dass sich Planbarkeit und Verantwortung auch ohne starre Obergrenze erreichen lassen.
Geht es um Rankings?
Neben gesellschaftlicher Verantwortung führt das Vizepräsidium für Studium und Lehre noch ein weiteres Argument an: den Druck der Kennzahlen. Die Regelstudienzeitquote gilt als Qualitätsindikator in Rankings und Zielvereinbarungen. „Eine Universität, deren Studierende regelmäßig stark überziehen, steht schnell unter dem Eindruck, dass Studiengänge überfrachtet oder schlecht organisiert sind – auch wenn die Hintergründe vielfältig sind“, so das Vizepräsidium.
Wie stark sich universitäre Entscheidungen – etwa die Einführung einer Maximalstudienzeit – tatsächlich von solchen Faktoren leiten lassen, lässt sich kaum überprüfen. Trotzdem hat es einen bitteren Beigeschmack, dass eine solche Regelung ausgerechnet dann kommen soll, wenn sich die Uni Jena um den Titel einer Exzellenzuniversität bewirbt. Natürlich kann das ein zeitlicher Zufall sein. Man kann diese Entwicklung aber auch als Resultat desselben Ideals sehen: Leistungsoptimierung und Effizienz.
Was für eine Universität wollen wir?
Die Idee einer Maximalstudienzeit – und die Rationalisierung, mit der sie begründet wird – ist letztlich ein Symptom davon, wie wir Bildung aktuell verstehen. Deutlich wird: Hier geht es nicht um bloße Verwaltungslogik, sondern um die Frage, was für eine Art von Universität wir haben wollen. Wie frei soll sie sein? Wie effizient muss sie sein?
Sicher ist, dass Studierende, die nicht mit dem neuen Tempo der Uni mithalten können, hinten runterfallen werden. Das betrifft nicht nur chronisch kranke Studierende, sondern auch alle, die Care-Arbeit leisten, sich ehrenamtlich engagieren oder arbeiten müssen. Härtefallregelungen sind ein schwaches Korrektiv für die ungleichen Bildungschancen in Deutschland, die durch die Maximalstudiendauer weiter verschärft wird.
Wie geht es jetzt weiter?
Grundsätzlich könnte die neue Rahmenprüfungsordnung mit ihren geplanten Erleichterungen eine echte Entlastung für Studierende darstellen. Bislang ist nichts final beschlossen. Es bleibt abzuwarten, ob man den § 17 noch anpassen wird.
Im November wollen der Stura und das Vizepräsidium für Studium und Lehre zu einem klärenden Gespräch zusammenkommen, von dem man sich auf beiden Seiten eine sinnvolle Lösung erwartet. Vielleicht gelingt es ja dann, die Rahmenprüfungsordnung so zu gestalten, dass sie ihrem Ziel gerecht werden kann: Studierende wirklich zu entlasten.
Dieser Text erschien in der Ausgabe Nr. 452, November 2025


Leider stimmen die hier genannten Dinge nicht so ganz.
Prinzipiell gilt erst mal, dass sich rechtlich gesehen die Studienordnung für Studierende nicht zu deren Nachteil nachträglich verändert werden darf. Also MUSS diese RPO mind. gleich für alle Studies sein, auf die sie angewandt wird (aka Staatsexam, Diplom, Magister, … sind da eher nicht dabei)
Die wirklich große Änderung bezügliche der Maximalstudiendauer ist eigentlich nur, dass es sehr explizit genannt wird, im Gegensatz zu bisherigen Formulierungen:
BSc Wiwi: § 12 (4) 3
Am Ende des neunten Semesters gelten alle bis dahin nicht
abgelegten Modulprüfungen als endgültig nicht bestanden.
BA FSV: § 13 (1) 2
Erfolgt in den betreffenden Modulen auch im 9. Semester
keine Prüfungsanmeldung, so gelten diese Module als endgültig nicht bestanden
BSc Physik: § 17 (1) 1
Die Modulprüfungen des ersten Studienjahres sind spätestens bis zum Ende des zweiten Studienjahres, die des zweiten spätestens bis zum Ende des dritten, die des dritten spätestens bis zum Ende des vierten Studienjahres erstmals abzulegen.
Merke, dass in allen die Bachelorarbeit als Pflichtmodul immer mit gemeint ist und somit eine sehr direkte und harte Grenze bildet. Somit ist insbesondere die RPO eine Verbesserung, da man in vielen Studiengängen bereits nach dem 3. und nicht erst nach dem 4. exmatrikuliert wird.
Abschließend, würde ich vielleicht noch mal kurz darauf eingehen, warum diese harten Regelungen teilweise nicht so auffallen.
So existiert (und wird auch immer) die Möglichkeit eines Teilzeitstudiums (bis auf ganz wenige Ausnahmen) was diese Fristen allgemein verdoppelt. Dann gibt es immer die Möglichkeit durch Elternschaft oder Krankheit extra Semester zu bekommen (wird auch weiter existieren). Sonst, gibt es Urlaubssemester, die nicht zählen aber dafür sorgen, dass jemand von außen gesehen länger dabei sein kann. Weiter, gibt es auch durch z.B. Ehrenämter oder Situationen wie Corona allgemeine extra Semester für die Regelstudienzeit.
Und zum Schluss gibt es bei besonders lange studierenden Personen immer die Möglichkeit, dass diese einfach eine nicht mehr existierende Prüfungsordnung haben, die diese Regeln nicht hatte. Diese sind aber dann auch von der RPO ausgeschlossen.