Weltuntergang im Whirlpool

In Thüringen soll ein Luxusbunker entstehen: Ist das die Vorbereitung auf die Apokalypse, oder doch alles nur ein PR-Märchen?

Text von Dario Holz

Fliegeralarm in Jena. Menschen rennen panisch auf der Suche nach Schutz durch die Straßen, am Horizont nähern sich Flugzeuge. Ist der Rosenkeller bombenfest? Oder hisst man gleich die weiße Flagge am Friedensberg? Für die Reichen und Schönen der Stadt stellen sich diese Fragen nicht. Sie sitzen schon lange im RB25 und kommen nach drei Minuten Fahrzeit in Rothenstein an. Hier, im luxuriösesten Bunker der Welt, wird selbst der Krieg zum Urlaub. 

Zu zeitnah darf die Katastrophe allerdings nicht eintreten, denn der Bunker befindet sich noch in der Planung. Doch schon bald soll es 34 unterirdische Wohnungen geben, luxuriös ausgestattet, über 200 Quadratmeter Platz. Diverse Pools, ein Fitnessstudio, Restaurants und Bars ergänzen das Angebot. Selbst ein Theater und eine Kunstgalerie sind geplant. Wer sich das nicht entgehen lassen möchte, kann sich bereits auf einen Platz bewerben. Ganz günstig ist das allerdings nicht: Zwei Millionen Euro kostet ein Appartement, entspannt im Internet gebucht.

Hinter den Bunkerträumen steckt der US-Amerikaner Robert Vicino mit seiner Firma Vivos. Diese plant ein globales Netzwerk aus Luxusbunkern und hat vor allem in den USA bereits einige Bunker aus Zeiten des Kalten Krieges erworben, die jetzt umgebaut werden sollen. 

Medienphänomen: Superreiche

Das Thema ist besonders für Medien interessant: Superreiche, die sich auf die Apokalypse vorbereiten, generieren Klicks. Deshalb ist Vicino auch ein gern gesehener Gast im US-amerikanischen Fernsehen: Immer wieder wird über seine Pläne berichtet und ihm die Möglichkeit gegeben, uns vor dem Weltuntergang zu warnen. Das macht Vicino besonders gerne, sein Geschäft ist die Angst. Er prophezeit atomare Kriege, riesige Naturkatastrophen und gewaltsame Revolutionen. Die Welt kann jederzeit untergehen – einzige Rettung? Ein Bunker von Vivos, jetzt auch in Thüringen.

Die Anlage in Rothenstein erstreckt sich über 20.000 Quadratmeter, Platz ist  genug da. Im Zweiten Weltkrieg erbaut, um die Produktion der Zeiss-Werke im Falle einer Bombardierung zu sichern, nutzte die Armee der DDR den Bunker als Waffenlager. Nach der Wende übernahm die Bundeswehr die Anlage, verkaufte sie aber zeitnah an eine Chemnitzer Firma weiter. Und die setzen jetzt den Traum verängstigter Superreicher um. Oder? Nicht so ganz. Die Bilder des Luxusbunkers sind nämlich gar nicht aus Rothenstein, sondern zeigen ein Restaurant in Spanien, ein Museum in Bayern und ein Hotel auf der Krim. Die Chemnitzer Firma ist auch nicht Vivos, sondern die Der Berg datastorage GmbH. Und die machen mit dem Bunker genau das, was der Name vermuten lässt: Sie betrieben ein Rechenzentrum. Statt Pools und King-Size-Betten findet man hier nur Serverracks. 

Doch nur Propaganda

Tatsächlich habe Robert Vicino den Bunker angesehen, das sei aber schon über 10 Jahre her. Passiert ist seitdem nichts. Damit steht das Projekt Rothenstein exemplarisch für die Firma Vivos. Die zeigen auf ihrer Website unzählige Bunkeranlagen, alle hochmodern und luxuriös: Fertig gebaut scheint aber keine einzige zu sein  Zudem ist nicht absehbar,  ob sich das zeitnah ändert. Trotzdem ist Vivos immer wieder Thema, auch deren Bunker in Rothenstein. Die WELT, der Stern, Spiegel oder Bild: Alle berichten über den angeblich entstehenden Luxusbunker in Thüringen – oft, ohne jegliche kritische Einordnung. Damit verbreiten sie nicht nur das Narrativ der bevorstehenden Apokalypse, sondern halten Vivos künstlich  am Leben. Die nutzen die häufige Berichterstattung als Legitimation für Bauprojekte, die de facto nicht existieren. Was existiert, sind tausende Beiträge in sozialen Medien, die Angst verbreiten, Panik schüren und Donald Trump verehren.

Vivos ist am Ende des Tages nicht mehr als ein Propagandamittel für Robert Vicino. Ob es tatsächlich irgendwann einen Bunker der Firma geben wird, ist fraglich – in Rothenstein jedenfalls nicht. Sollte die Apokalypse eines Tages über Thüringen hereinbrechen, werden also auch die Superreichen im Rosenkeller Zuflucht suchen. Das einzige, was dann wirklich sicher ist: die Server in Rothenstein.

Dieser Text erschien in der Ausgabe Nr. 451, Oktober 2025


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