Endlich soll der Ernst-Abbe-Platz begrünt werden. Voll lieb, dass endlich etwas geplant wurde – leider am Leben von Studierenden vorbei.
Text von Götz Wagner
Grafik von Atelier Loidl Berlin
Es war eine kleine Überraschung, als Anfang Juli die Ergebnisse des Wettbewerbs Klimaangepasste Platzgestaltung Ernst-Abbe-Platz vorgestellt wurden. Es gibt jetzt nicht nur Geld für die Begrünung des heißesten Ortes in Jena, sondern auch einen Plan, der umgesetzt werden kann.
Wenn man sich die erstplatzierte Einreichung anschaut, drängt sich das Gefühl auf, die Architekten aus Berlin waren ein einziges Mal in Jena gewesen: um Fotos zu machen für die schicke Präsentation und, um das Preisgeld abzustauben.
Dabei hätte man nicht Tage auf dem Campus verbringen, sondern nur die Routen der Menschen auf Google-Maps verfolgen müssen. Dann hätten die Architekt:innen eventuell gelernt, dass die Grüninseln den meistgenutzten Fußwegen im Weg stehen.
Viele Menschen kommen von der Straßenbahnhaltestelle, denkt sich der Planer. Und, weil es so auf dem Gebäudeplan steht, gehen die Studierenden ganz brav durch das Foyer in die Uni. Das Wort Foyer ist nämlich tatsächlich französisch und bedeutet Eingangshalle. Vor dieser ist deshalb ganz viel Platz zum reingehen. Die Grüninseln sollen woanders wachsen.
Abgehakt
Doch der Alltag macht den Planern leider das Leben schwer. Die große Masse der Studierenden geht nicht durch das Foyer, sondern durch die Türen im großen Treppenturm. Doch vor dem sind jetzt Grünanlagen geplant. Es wurde zwar eine kleine Kreuzung innerhalb dieser Anlage vorgesehen, doch auf einem geraden Weg kann man sich jetzt nicht mehr zwischen Mensa und Treppenturm bewegen. Jeden Morgen und Mittag werden durch die engen Wege Fahrräder und Fußgänger:innen strömen. Das ist ja auch schon auf der Johannisstraße ein großer Spaß. Und weil Schleichwege auch viel mehr Spaß machen, kann man jetzt schon darauf wetten, wie lange die Wiesen im Norden des Campus grün bleiben werden.
Legt man die Feuerwehrflächenplanung auf die Karte des Jury-Favoriten erkennt man: Überall dort wo Feuerwehrautos stehen sollen, werden keine Bäume hinkommen. Was man hier auf den Skizzen zu sehen bekommt, ist die Unkenntnis des alltäglichen Lebens für bürokratische Planung.
Dabei gab es vor einem Jahr einen Workshop, durch den die Vorstellungen der Campus-Menschen in den Planungsprozess integriert werden sollten. Doch es gab keine Debatte, kein Folgetreffen, nein, die Vorschläge wurden quantifiziert. So konnten diese dann in Zahlen zu Bewertungskriterien für die Jury gemacht werden. Zum Beispiel 10 Prozent Zustimmung für vertikale Begrünung: nicht so wichtig.
Am Ende gewinnt der Plan den Preis, der perfekt die städtebaulichen Kriterien umsetzt, ohne dabei die Kosten zu sprengen. Fällst du auf, fällst du raus. Die bürokratischen Strukturen machen das Bedürfnis nach Kühle und Grün zu einer Strichliste zum Abhaken.
Bürokraten wollen nicht den besten aller möglichen grünen Ernst-Abbe-Plätze, sondern den nächstmöglichen. Das Geld aus der Förderung muss nämlich ausreichen. Also gibt es keine vertikale Begrünung und keine Pavillons. Niemand will hier Böses. Etwas Grün ist besser als Beton. Denn sicherlich wird die Begrünung den Platz schöner machen. Aber es bleibt beim Minimalkonsens. Das passiert, wenn die Planenden, nicht die Menschen sind, die am zu planenden Ort arbeiten, studieren und leben. Der Ernst-Abbe-Platz gehört nicht uns.
Legitimation statt Partizipation
Im Nachhinein können Entscheidungsträger:innen aber immer auf Beteiligungsformate zeigen, um zu sagen: Der Plan ist der Wille des Volkes. Zum Workshop kamen damals 40 Leute. Nach dem Workshop gab es Stille. Dann wurde die Öffentlichkeit vor die Fakten der Preisverleihung gestellt. Und alle dürfen sich die schönen Bildchen auf den Aufstellern im Foyer anschauen.
Die Entscheidungsgewalt schwebt weit weg irgendwo im luftleeren Raum der bürokratischen Notwendigkeiten, zwischen Fach-Expert:innen und Sachpreisrichter:innen, die die Interessen ihrer jeweiligen Institutionen vertreten. Dass das Schott-Unternehmen ein Jurymitglied stellen durfte, aber die Studierendenschaft nicht, sagt eigentlich alles.
Die Beteiligung wird den Normalsterblichen dann wieder knapp vor die Nase gehalten: Im Internet gab es bis zum 6. Juli eine Kommentarspalte für Kritik und Anregung. Davon gab es eine Menge, die jetzt in der Intransparenz verschwindet, weil keine weitere Feedbackschleife geplant ist. Ohne breite Öffentlichkeit und Diskussion verkommen Beteiligungsmöglichkeiten zum bloßen Legitimationsmittel.
Dieser Text erschien in der Ausgabe Nr. 451, Oktober 2025