Die große Ausgrenzung

Selektive Förderung durch Stipendien

Von Kay Abendroth und Johanne Bischoff




Geld gibt’s beim Deutschlandstipendium nur für die Leistungsstarken.

Foto: Katharina Schmidt

„Ich dachte schon, ich habe den Dresscode verrissen, als ich mit Kapuzenpulli und Jeans dort ankam“, sagt Katharina Vogels, Studentin der Politikwissenschaft in Jena. Andere Studenten sind im Anzug mit dem Taxi vorgefahren. Sie alle waren auf dem Weg zum Auswahlseminar der Studienstiftung des deutschen Volkes, die als sehr elitär gilt. Mit etwa 11.000 geförderten Studenten bundesweit ist sie trotzdem der größte Stipendiengeber. Das entspricht etwa 0,5 Prozent aller Studenten in Deutschland.

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„Ein Schwachsinnsprogramm“

Jenaer Soziologe über das Deutschlandstipendium

Das Gespräch führten Kay Abendroth und Johanne Bischoff




Professor Stephan Lessenich ist Dekan der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften. Er ist auch Vertrauensdozent der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Mit dem Akrützel sprach er über das Deutschlandstipendium und politische Weiterlesen

Der Mensch als Abgrund

„Woyzeck“-Inszenierung des Deutschen Nationaltheaters Weimar

Von Susanne Veil




Ein erschütternder Einblick in die menschliche Psyche und alles, was bleibt, ist Sprachlosigkeit.

Foto: Deutsches Nationaltheater Weimar

Schreie hallen durch das stillgelegte In­dustriegebäude – was sich nach einem Krimi anhört, ist vielmehr der Anfang eines wenig beschaulichen Theaterabends. Denn wo seit 1897 Strom für die Weima­rer Bewohner produziert wurde, entsteht heute ein anderes, nicht weniger elektri­sierendes Erzeugnis. Im e-Werk, das vor 15 Jahren mit seinen Heizkesseln zum letzten Mal Strom produzierte, wird seit der Spiel­zeit 2000/2001 Theater gespielt. Vor allem moderne, unkonventionelle Stücke finden dort eine passende Bühne.
So auch Georg Büchners letztes, Fragment gebliebenes Stück „Woyzeck“. Dass in der Inszenierung von Nora Schlocker die Zu­schauer hier nicht nur Publikum, sondern auch Mitwirkende sind, wird gleich zu Beginn deutlich. Der Besucher wird durch die Kulissen geführt und lernt die trostlose Welt der Titelfigur kennen. In dieser Welt werden Opfer- und Täterrollen pervertiert. Woyzeck ist das Opfer von Armut und Un­terdrückung, die ihn dazu zwingen, sich für wissenschaftliche Menschenversuche herzugeben, sodass er durch ein Erbsen­experiment seinen Verstand verliert. Man schaut nun dem geschäftig Stöcke schnei­denden Woyzeck und seinem Militärkame­raden Andres bei der Arbeit zu. Bekommt von einem linkischen Händler Messer für ein paar Groschen angeboten und kreuzt den Weg einer entrückt ihren Kinderwagen schiebenden Marie, Woyzecks Lebensge­fährtin. Dann beginnt die Demonstration des Doktors. Der macht die Besucher zu Medizinstudenten, die sich mit fachlich interessiertem Blick am Experiment des Doktors weiden. Dieser macht zwischen einer Katze als hilflosem Anschauungsob­jekt seines Forscherdranges und dem ge­schundenen Woyzeck keinen Unterschied. Mensch und Tier werden zum wissen­schaftlichen Objekt degradiert. Dann geht die Vorführung weiter und der Marktschrei­er bittet das Publikum, nun Platz zu neh­men. Hier ist es Marie, die vor den Augen der unterhaltungshungrigen Menge nun den Unterschied vom Menschen zum Tier vorführen soll und scheitert. Ebenso wie Woyzeck verkörpert sie das Tierische im Menschen, die bloße Natur.

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