Tod und Wiedergeburt

Der FH-Stura löste sich auf, um sich zu retten

Von Isabel Schlegel

Auf einmal war der Stura wieder interessant: Natalja Rieck und andere Stura-Mitglieder im Gespräch mit ihren Kommilitonen. Foto: Christoph Worsch

Der Tod enthüllt sein Gesicht: Er lächelt. Zufrieden blinzelt Martin Uebel, Stura-Vorstand im Henkerskostüm, in die Sonne. „Heute ist das erste Mal, dass ich mitbekomme, wie sich Studenten über den Stura unterhalten“, sagt er. Kein Wunder, denn 5000 Flyer, 100 Plakate, ein meterlanges Banner und ein durch alle Hörsäle wandelnder Sensenmann verkünden am 19. Mai: „Der Stura ist tot“. Und jeder Student soll es mitbekommen.

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Wo sind die Idealisten?

Ein Kommentar zu den Problemen des FH-Sturas

Von Isabel Schlegel

Die Fachhochschule Jena ist mit ihrem Kandidatenmangel nicht allein: Ob Erfurt, Weimar oder die FSU – an fast allen Thüringer Hochschulen gibt es in den Fachschaften oder den Sturas mehr Plätze als Bewerber. Das bedeutet zwar nicht überall das Ende studentischer Interessenvertretung, aber doch das Ende demokratischer Wahlen. Bei zu wenigen Bewerbern bekommt jeder einen Platz im Gremium – selbst, wenn sich bei der Wahl kein einziger Student für ihn entscheidet. Es ist also ein wenig wie in der DDR: Man wählt nicht, man bestätigt nur noch Listen. Wie unter solchen Umständen aktive studentische Interessenvertretungen entstehen sollen, die sich jeden Tag aufs Neue motiviert in einen Kampf für ein besseres Studium stürzen, ist fraglich. Dabei wären starke Studentenräte gerade jetzt, nach der Bologna-Reform und mit Verwaltungsgebühren, bitter nötig.

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Nachwuchspolitiker

Studenten wollen in den Stadtrat

Von Philipp Böhm

Sei es eine erste Sprosse auf der politischen Karriereleiter, ein Plus für den Lebenslauf oder doch die soziale Verantwortung: Mögliche Gründe für ein politisches Engagement gibt es viele.Insgesamt treten zweiunddreißig Studenten zur Wahl für den Stadtrat an, drei bewerben sich sogar als Ortsteilbürgermeister. Was treibt Studenten dazu, für die anstehenden Kommunalwahlen zu kandidieren?
Markus Giebe studiert Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Neuere Geschichte. Man findet ihn auf Platz 9 der SPD-Liste. Karrieregründe waren nicht ausschlaggebend für seine Entscheidung. Das Engagement im Stadtrat sei kein „Sprungbrett“ für Leute, die möglicherweise später professionell Politik machen wollen: „Ich hatte eigentlich schon immer den Wunsch, in der Kommunalpolitik aktiv zu werden und meine Standpunkte dort einzubringen.“ So war er bisher bereits Mitglied in der Juso-Hochschulgruppe und im Studentenbeirat der Stadt. Markus ist zwar der Ansicht, dass ihre Interessen in der Jenaer Kommunalpolitik nicht gerade unterrepräsentiert seien, dennoch findet er, dass „Studenten in vielen Themenbereichen mitreden sollten“. Immerhin würde im Stadtrat über vieles diskutiert, was sie direkt tangiere, so beispielsweise die Zweitwohnsitzsteuer. Dennoch verwundert es ihn, dass sich vergleichsweise viele Studenten auf den Listen finden. Für den Studentenbeirat sei es wesentlich schwieriger gewesen, Kandidaten zu finden: „Ich glaube, viele Parteien setzen einfach auf Studenten, um Stimmen zu kaschen.“

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Geld ist gleich Bildung

Das „Aktionsbündnis gegen Studiengebühren“ wird zehn Jahre alt

Von Daniel Hofmann

2005 protestierte man auch in Jena gegen Studiengebühren. Foto: Akrützel-Archiv

Mit 500 Euro lässt sich viel anfangen. Man kann zwei bis drei Monate lang seine Miete zahlen, rund 50 Bücher kaufen, und wem das keinen Spaß macht, der geht 100 Mal ins Kino. Stattdessen muss man sich mit diesem Geld in immer mehr Bundesländern die Studienerlaubnis erkaufen. Studiengebühren werden immer häufiger zur Einnahmequelle der Länder. Mit den befürchteten Steuerausfällen in den nächsten Jahren ist damit zu rechnen, dass die zehn übrig gebliebenen gebührenfreien Bundesländer diese Geldquelle ebenfalls anzapfen. Gegen eine solche Entwicklung kämpft das „Aktionsbündnis gegen Studiengebühren“ (ABS), und das bereits seit 10 Jahren.

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Mittwochs nur für Deutsche

Warum vier schwarze Unimitarbeiter nicht in die Havanna-Bar durften

Von Vera Macht

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Foto: Katharina Schmidt

Wir wollten einfach einen schönen Abend haben“, sagt Dr. Gabriel Natura vom Jenaer Migrations- und Integrationsbeirat, „doch daraus Weiterlesen

Was ein kleines Wort ausmacht

Ein Kommentar zu alltäglichem Rassismus

Von Philipp Böhm

Das Wort „aber“ ist eigentlich ein beeindruckendes sprachliches Instrument. Im deutschen Sprachgebrauch erfreut es sich großer Beliebtheit und wird vielseitig und kreativ verwendet. So findet man es beispielsweise in Satzkonstruktionen wie „Ich hab ja nichts gegen Ausländer, aber…“ oder „Ich bin kein Rassist, aber…“. Fast scheint es, als wären Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland völlig ausgestorben. Niemand ist mehr Rassist. Stattdessen gibt es „Sachen, die man einfach mal sagen muss.“ Und „deutsche Partys“ muss man wohl auch einfach mal feiern dürfen.

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Bloß keine Sklaventexte

Die Jenaer Literaturszene in den 70er und 80er Jahren

Von Uli Sauer

Lutz Rathenow (links) Anfang der 80er Jahre zu Besuch bei der Schriftstellerin Katja Havemann in Grünheide. Hier im Gespräch mit dem Bürgerrechtler Roland Jahn.
Privatarchiv: Lutz Rathenow

Jena zu Beginn der 70er Jahre: Die Unterschiede zwischen den Literaturzentren konnten größer nicht sein. In dieser Zeit bildeten sich zwei Institutionen heraus, in denen literarisch ambitionierte Jugendliche ihr Talent entfalten konnten oder sollten. Auf der einen Seite stand der oppositionelle Arbeitskreis für Literatur, der 1973 aus den privaten „Freitee-Treffen“ Lutz Rathenows hervorging und ganz offiziell in das neugebaute Kulturzentrum Neulobeda verlegt werden konnte. Die andere Seite bildete das Literaturzentrum unter der Schirmherrschaft des Kulturministeriums für den Bezirk Gera. Hier wurden junge Schriftsteller sozialistisch erzogen und auf Linie eingeschworen. Jede Form von Kritik wurde unterbunden.

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Jeder mit jedem

„Don Giovanni“ feierte am Deutschen Nationaltheater Premiere

Von Johannes Weiß

Wenn die Tochter mit dem Vater…
Foto: Charlotte Burchard

Um es gleich zu Beginn mit dem Zynismus eines Don Giovanni zu sagen: Wäre der Champagner aus der gleichnamigen Arie des spanischen Lebemanns genauso schal und abgestanden wie diese Weimarer Inszenierung, ließen sich wohl nur wenige Damen auf dessen rauschenden Festen blicken. Und die vom Diener Leporello geführte Liste der Liebschaften wäre um einige Namen kürzer.
Der DNT-Operndirektor Karsten Wiegand hat sich selbst an die „Oper aller Opern“ gewagt und hierfür ein funktionelles Bühnenbild gewählt: Holzwände, Gänge, Türen, Treppen und Geländer trennen und verbinden die verschiedenen Bereiche der Handlung, und bei Bedarf dreht sich das Ganze sogar noch. So weit, so gut. Auch der Verzicht auf eine starre Gegenüberstellung vom skrupellosen Verbrecher Don Giovanni und seinen wehrlosen Opfern erscheint sinnvoll und öffnet einen vielversprechenden Zugang zu Mozarts „Dramma giocoso“.

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