Ideen in der Warteschleife

Wie es nach dem Bildungsstreik weitergeht

Von Janina Rottmann

Wohin geht der Bildungsstreik? Foto: Katharina Schmidt

Zu Jahresanfang scheinen sich die Gemüter beruhigt zu haben: Die Bildungsblogger bloggen nicht mehr, die besetzten Hörsäle sind längst wieder frei und viele Studenten konzentrieren sich wie jedes Semester auf die anstehenden Klausuren. Doch die Probleme – die Überbelastung der Studenten, die fehlende Repräsentation studentischer Vertreter in den akademischen Gremien und die mangelnden Kapazitäten an den Hochschulen – bleiben auch im neuen Jahr erhalten.

2009 lösten Studentenproteste seit Langem wieder eine Bildungsdebatte aus, der ein bis dato unbekanntes Medienecho und Verständnisbekundungen seitens der Bundes- und Landespolitik folgten. Da war zunächst die Antwort der bundesweiten Kultusministerkonferenz, die Mitte Dezember zusammen mit der Hochschulrektorenkonferenz tagte. Man einigte sich grundsätzlich darauf, die Belastung durch den vielen Stoff und die Prüfungen zu reduzieren sowie den Wechsel von einer Uni zur anderen und die Anerkennung von Studienleistungen im Ausland zu vereinfachen. Jedoch wurden grundlegende Forderungen wie ein freier Masterzugang, die Verlängerung des Bachelors oder die stärkere Demokratisierung an Hochschulen vollends ignoriert – Ziel war lediglich eine Korrektur der „Fehlentwicklungen“. Auf Landesebene sah die Situation ähnlich aus: Der thüringische Kultusminister Christoph Matschie versprach zwar eine „Überprüfung des Bachelor- und Master-Systems“ und Gespräche mit den Hochschulen, um herauszufinden, wo es denn nun „klemmt“. Was die Forderungen nach mehr studentischer Mitsprache an der Universität betrifft, schwieg man sich jedoch aus und berief sich lediglich auf das Thüringer Hochschulgesetz und dessen Evaluation, die die Landesregierung angekündigt hatte. Gleiches zurückhaltendes Spiel bei der Unterfinanzierung der Hochschulen: Man halte an den Vorgaben des Hochschulpaktes 2010 fest. Jener wurde 2006 zwischen Bund und Ländern mit dem Ziel beschlossen, die wachsenden Studentenzahlen aufzufangen und die finanziellen Zuschüsse für die Hochschulen konstant zu halten. Das Problem ist nur, dass in diesem Pakt keinerlei Mittel z.B. für den höheren Bedarf an Lehrkräften vorgesehen sind, welcher mit der Umsetzung der Bologna-Reform einhergeht und mitunter ein Missverhältnis von Lehrenden zu Studenten von 1 zu 68 hervorbringt. An der Friedrich-Schiller-Universität endete das Jahr dann mit einer wenig konstruktiven Podiumsdiskussion, die die noch immer existierenden Verständigungsprobleme zwischen Uni-Leitung und Studenten offenbarte und die Debatte alles andere als voranbrachte.

Fakultäten sind gefragt

Es wirkt, als hingen die Studenten samt ihren Forderungspapieren seit mehreren Wochen Däumchen drehend in einer Warteschleife fest. Fakt ist, dass die Impulse für Veränderungen in den neuen Studiengängen aus den Fakultäten kommen müssen, weil diese ihre Gestaltungen verantworten. Dem Kultusministerium obliegt wiederum die Aufgabe, die nötigen Mittel bereitzustellen, um die Hochschulen zu unterstützen – augenscheinlich eine unbequemes Thema in Zeiten der Wirtschaftskrise und des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes.
Betrachtet man das Thema mit etwas mehr Optimismus, fällt auf, dass sich zumindest an der FSU und auch der FH Jena mittlerweile doch einiges rührt. „Der Bildungsstreik hat auf jeden Fall etwas angestoßen“, ist sich Kirsten Limbecker sicher, die als Bildungsaktivistin auch bei der Podiumsdiskussion vergangenen Dezember mitdiskutiert hat.
Der Stura sorgte bereits damals für eine offizielle Diskussionsgrundlage in Form eines Reformpapiers, das die studentischen Forderungen aus den Streiks bündelte und gegenüber der Universitätsleitung in Zukunft vertreten soll.
Am Donnerstag, den 21. Januar startet der Versuch eines zweiten „Runden Tisches“ (nachdem der erste im Dezember mäßig erfolgreich war), an dem vor allem die Demokratisierung der Hochschule und die Überarbeitung der Modulpläne zusammen mit den Lehrenden diskutiert werden sollen. Alle Studenten, Dozenten und die Uni-Leitung sind um 18 Uhr im Hörsaal 4 in der Carl-Zeiss-Straße willkommen. „Ziel ist es, einen Erfahrungsaustausch und eine offene Diskussion in Gang zu bringen“, so Limbecker.
Konkrete Probleme mit den Studienordnungen werden bereits von einigen Instituten kritisch in Augenschein genommen. Ein Vorreiter ist die Soziologie, in der kürzlich Studenten und Lehrende des Instituts öffentlich über die Thematik sprachen.
Das Referat für Hochschulpolitik des Stura arbeitet dahingegen zusammen mit der Hochschulleitung an einem Bologna-Tag an der Universität. Der 27. Januar steht im Zeichen eines Austauschs zwischen Studenten und den Lehrenden an den Fakultäten. In einem ersten Teil sollen die Studiengänge in den einzelnen Fakultäten gemeinsam unter die Lupe genommen werden. Im Anschluss wird eine Podiumsveranstaltung stattfinden: Dort soll zunächst die Konzeption der Studiengänge für alle nochmals skizziert werden. Außerdem ist eine Erörterung der in den Gesprächen aufgedeckten Probleme geplant.
An der FH Jena hat sich unterdessen ein Arbeitskreis „Freie Bildung“ aus engagierten Studenten organisiert, der sich regelmäßig trifft und Aktionen wie beispielsweise eine Podiumsdiskussion im April mit Dozenten und der Hochschulleitung plant. Dazu wurden auch Kultusminister Christoph Matschie und der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter eingeladen. Im neuen Semester soll es außerdem verschiedene Vorträge und eine Zukunftswerkstatt geben. Regelmäßig trifft man sich mit der Hochschulleitung und auch dem Prorektor für Lehre und Struktur der Fachhochschule, um über die Studien- und Lehrsituation zu reden und um zusammen nach konkreten Lösungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Bedingungen zu suchen.

Keine großen Änderungen

„Noch in diesem Jahr wäre es beispielsweise machbar, die Gewichtung der Noten aus den ersten zwei Semestern in Bezug auf die Gesamtnote zu verringern“, sagt Kurt-Dieter Koschmieder, Prorektor für Lehre und Struktur der FSU Jena, zu möglichen Anpassungen der Studienkonzepte an der Uni. „Strukturveränderungen wie z.B. die Verlängerung des Bachelors sind aber erstmal nicht möglich – Bachelor und Master gibt es noch nicht lange genug, sodass wir erst einen kompletten Durchlauf brauchen, bevor wir Derartiges verändern könnten“, gesteht er ein. Dass es sich um einen nur schleppend in Gang kommenden Prozess handelt, der unter starken Anlaufschwierigkeiten leidet, wird immer wieder offenbar. Die angesprochenen Strukturprobleme können sowieso nur in Zusammenarbeit mit dem Ministerium geregelt werden.

Hochschulgipfel geplant

Dazu bietet sich zumindest offiziell am 10. Februar eine Möglichkeit: Christoph Matschie hatte bereits im Zuge des Bildungsstreiks diesen Hochschulgipfel für Anfang des Jahres angekündigt. Nun hat er sich anscheinend in seinem Amt eingelebt und mit einer Einladung an die Konferenz der Thüringer Studierendenschaften (KTS) nimmt sein Vorhaben erste Gestalt an. Die schwammig formulierten Ziele: der Versuch, eine Bilanz der Umsetzung der Bologna-Reform der vergangenen Jahre zu ziehen, weiterhin sollen die Rahmenbedingungen von Studium und Lehre und die studentische Mitbestimmung im Mittelpunkt stehen. Ziel des Gipfels ist ein Diskurs zwischen Politikern, Hochschulen und Studenten. „Alle Studiengänge sollten studierbar sein. Ebenso muss die studentische Mitbestimmung gestärkt werden, um ein Einbinden eben der Gruppe, die am stärksten davon betroffen ist und deren Zukunft von einem erfolgreichen Studium abhängt, thüringenweit zu gewährleisten“, erhofft sich Benjamin Heinrichs, Sprecher der KTS.
Auch auf Bundesebene konnten die lauter werdenden Stimmen gegen das bestehende Bildungssystem nicht länger ignoriert werden. Bundesbildungsministerin Annette Schavan ließ sich kürzlich dazu hinreißen, eine Bafög-Erhöhung von zwei Prozent anzukündigen, was allerdings nur durchschnittlich 13 Euro mehr pro Monat bedeutet. Gespannt sein darf man auf den April, für den schon letztes Jahr ein bundesweiter Bologna-Gipfel angekündigt wurde, mit dessen vage gehaltenen Zielen man sich lückenlos in die Reihen der Landesregierung gesellte. In Jena hat das Thema trotzdem entgegen mancher Erwartungen die Weihnachtsunterbrechung überdauert. Thüringer Hochschulgipfel im Februar und Bologna-Konferenz im April rücken zudem immer näher und bieten doch einen Hoffnungsschimmer, dass vielleicht so manchem Kultusminister oder Studiendekan ein Lichtlein aufgeht. „Unserer Ansicht nach hat der Bildungsstreik die längst überfällige Problemdiskussion endlich auf die gesamte Hochschule und die Politik ausgedehnt. Zu den Problemen finden an immer mehr Hochschulen Gespräche unter Mitwirkung studentischer Meinungen statt“, sagt Heinrichs.
Bis dahin gilt es, die angestoßene Debatte nicht einschlafen zu lassen. Das findet auch Kirsten Limbecker: „Jetzt ist es wichtig, an der Sache dranzubleiben, in Kontakt mit den Instituten zu treten und die Veranstaltungen an der eigenen Universität zu besuchen, die die Probleme angehen.“

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